The Weepers - Wenn die Nacht Augen hat: Band 2 - Roman (German Edition)
Opfer fallen. Die Vorstellung, sie zu töten, bereitete mir Unbehagen. Schließlich hatten wir die – wenn auch geringe – Chance, sie mit dem Heilmittel zu retten. Doch angesichts der drohenden Übermacht blieb uns wohl keine andere Wahl.
Larry und Quentin hatten die Minen aus verschiedensten Materialien gebaut, die sie in Wohnhäusern und Läden gefunden hatten. Joshua und ich hatten derweil die Tier gärten von L.A. und San Diego nach Narkosemitteln abgesucht und genug gefunden, um alle unsere Betäu bungspfeile damit auszustatten.
Ich klopfte meine Kleidung ab, und wir verließen den Strand, um ihn vom Gehweg aus in Augenschein zu nehmen. Wenn man nicht wusste, wo wir die Minen vergraben hatten, waren sie so gut wie unsichtbar. Die kleinste Belastung genügte, um sie zu zünden.
»Das wird sie nicht alle aufhalten«, sagte Joshua.
»Ich weiß. Machen wir die Waffen bereit.«
Wir gingen zum Ende der Pier, wo Karen und Mom die Pfeile für die Betäubungspistolen sowie das von Geoffrey hergestellte Heilmittel zusammen mit allen möglichen anderen Waffen zusammengetragen hatten.
Marie, die Emma und Mia an den Händen hielt, ging zu einem Boot, das auf der gegenüberliegenden Seite der Pier vor Anker lag. Quentin hatte den Motor repariert, damit sie gegensteuern konnten, wenn es die Flut zu weit von der Küste wegtrug.
Mia riss sich von Marie los und rannte auf mich und Mom zu. Sie packte unsere Kleidung und drückte ihren Kopf gegen Moms Bauch. Mom verzog das Gesicht – es war offensichtlich, dass sie mit den Tränen kämpfte.
»Ich will nicht gehen«, sagte Mia.
Ich strich ihr über den Kopf. »Emma und Marie werden auf dich aufpassen.«
»Aber ich habe Angst«, schniefte Mia. »Was, wenn ich euch nie wiedersehe?«
Mom schloss die Augen und schluckte schwer.
»Alles wird gut. In ein paar Stunden bist du zurück, und dann können wir uns zusammen die Pelikane ansehen. Versprochen.«
Mia hob den Kopf. Bei dem Blick, den sie mir zuwarf, lief es mir eiskalt den Rücken hinunter. Als ob sie genau wusste, dass ich ihr so etwas unmöglich versprechen konnte. »Okay«, flüsterte sie und wischte sich über die Augen. Ich kniete mich hin, schlang die Arme um sie und küsste sie auf die Wange. »Ich hab dich lieb, Mia.«
»Ich dich auch.« Ihre Stimme war kaum zu hören.
Mom führte sie zu Emma und Marie, die bereits im Boot warteten, und umarmte sie, bevor sie ihr die Leiter hinunterhalf. Marie hob sie ins Boot.
Die Planken der Pier knarrten, und ich drehte mich um. Joshua trug Zoe zu Mom und mir herüber. Ihre Augen standen offen, aber ich war mir nicht sicher, ob sie uns tatsächlich sah oder überhaupt wusste, was um sie herum vorging. Vielleicht war sie deshalb so ruhig. Karen hatte ihr ein Betäubungsmittel verabreicht, damit sie nicht in Panik geriet und ins Wasser fiel.
Als Joshua das Ende der Pier erreicht hatte, legte er seine Wange gegen den Kopf seiner Schwester und bewegte die Lippen. Der Wind nahm seine Worte mit sich, ich konnte sie nicht verstehen. Er drückte Zoe noch einmal fest an sich, bevor er sie Marie übergab. Sie setzte Zoe neben Mia, die ihre Knie umklammert hielt und mich flehentlich anstarrte. Ich musste mich ab wenden.
Joshua löste die Leine.
Marie warf uns einen letzten Blick zu, dann ließ sie den Motor an und steuerte das Boot von der Pier. Mia hob ihre kleine Hand und winkte uns zum Abschied.
Mom ergriff meine Hände. Tränen strömten über ihre Wangen. Joshua kniete auf den Planken am Rand der Pier.
»Was wird aus Mia, wenn wir die Schlacht nicht überleben?«, fragte Mom.
Ich antwortete nicht – ich brachte kein Wort heraus. Stattdessen drückte ich ihre Hand in der Hoffnung, sie so zu trösten. Mehr konnte ich nicht tun.
Einige Stunden später saßen wir auf dem Geländer. Unsere Muskeln schmerzten von der schweren Arbeit. Mein Kopf ruhte auf Joshuas Schulter, der Wind zerzauste unser Haar und zerrte an unserer Kleidung. Langsam wurde es dunkel, und die Schreie der Möwen verstummten. Der Mond spiegelte sich auf der Wasseroberfläche, und ich bildete mir ein, den Umriss des Bootes in der Entfernung erkennen zu können.
Dann erregte etwas meine Aufmerksamkeit. Ich setzte mich auf, wobei Joshua zusammenzuckte, weil ich ihn aus dem Schlummer riss. Er sprang vom Geländer und landete polternd auf den Planken. Mit zitternden Knien stellte ich mich neben ihn.
Was ich gerade in den Hügeln gesehen hatte, war weder ein Produkt meiner Fantasie oder meiner
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