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Thea und Nat

Thea und Nat

Titel: Thea und Nat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Korn
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schloß auch die Haube laut und stieg ein.
    »Versuche es noch mal«, sagte sie.
    »Warum müssen wir an deinem Geburtstag durch die Stadt schwirren?«
    »Du schwirrst allein. Das war so abgemacht.«
    »Wenn du in der ersten Stunde dabei bist. Du mußt mir über die Schwelle helfen.«
    »Welche Schwelle? Du kannst doch in zehn Tagen nicht verlernt haben, dich allein durch die Stadt zu bewegen.«
    Nat zuckte die Achseln.
    »Man hat manchmal mutlose Phasen.«
    »Was hat das mit Mut zu tun?«
    »Wenn du dich im letzten Jahr mehr für meinen Gemütszustand interessiert hättest, wüßtest du es.«
    Nat drehte noch mal den Anlasser, doch der Motor machte nur ein kleines trockenes Geräusch.
    »Wir nehmen meinen Wagen«, sagte Thea.
    »Und wie komme ich wieder nach Hause?«
    »Du könntest ein Taxi nehmen«, sagte Thea, »aber keine Bange. Wir vereinbaren einen Treffpunkt, und ich hole dich dort ab.«
    »Was für ein Umstand. Können wir den Tag nicht netter gestalten?«
    »Mach die Gestaltung mal unabhängig von mir.«
    »Mit meiner Unabhängigkeit ist es vorbei«, sagte Nat.
    »In der Klinik gab es eine ganze Menge Leute, die schlechter dran waren als du, und die gaben auch nicht auf, unabhängig zu sein.«
    »Daran kannst du doch nicht messen, wie gut oder schlecht ich dran bin. Schau dich nachher in der Stadt um. Ich bin der einzige Mensch, der nicht ohne den Untersatz von der Stelle kommt und immer schön auf der Höhe der Hintern der anderen ist, und dieses Vergnügen verdanke ich dir.«
    »Endlich ein offenes Wort.«
    »Verzeih«, sagte Nat, »laß uns in die Stadt fahren. Ich lade dich noch auf einen Wein ein, und dann mache ich mich auf den Weg.«
    Die Ampel sprang schon wieder auf Rot, doch Nat blieb nicht stehen. Er nahm den Bordstein zu schräg und kippte, doch er fing sich ab und überquerte die Straße, als die Autos schon anfahren wollten.
    »Der hat auch nichts dazugelernt«, sagte der Mann, der neben Thea an der Ampel stand.
    Er guckte sie an und wartete auf eine Antwort.
    Thea verteidigte Nat nicht. Tat nur einen Schritt vor, als wolle sie auch noch loslaufen. Der Mann schüttelte den Kopf.
    Nat stand auf der anderen Straßenseite und wußte nicht, welchen Weg er nehmen sollte. Es fing an zu schneien, feuchte Flocken, die schon in der Luft schmolzen und den leichten Flanell von Nats grauem Anzug schnell durchnäßten.
    Nat schauderte und schlug den Kragen hoch. Thea sah es und merkte erst in dem Moment, daß er keinen Mantel anhatte. Eine Lungenentzündung, dachte Thea, wahrscheinlich will er eine Lungenentzündung. Er würde was daraus zu machen wissen, daß sie ihn in dem Wetter aussetzte.
    Thea wollte ihn zurückrufen, als ein Lieferwagen ihr die Sicht auf Nat nahm. Der Wagen fuhr weiter, und Nat war nicht mehr da. Thea lief über die Straße. Die Ampel stand auf Rot. Autos hupten. Trotzdem nichts zu sehen von Nat. Thea war enttäuscht. Der Gedanke, ihn ins Warme zu holen, hatte ihr gut getan. Thea lief durch die Colonnaden. Zur Oper und zurück. Als sie am Gänsemarkt ankam, sah sie den kleinen Mann. Er stand an der Bushaltestelle, und zwischen ihnen waren Autos. Der Tag der roten Ampeln.
    Er hatte eine Persianerkappe auf dem Kopf, und der Kragen des Fischgrätmantels stand so hoch, daß die kurze Nase nur noch knapp hervorkam.
    Thea zupfte an ihren Handschuhen und wurde noch nervöser, als sie den Bus kommen sah. Der Kleine drehte sich um. Thea hob die Hand und dachte, daß er sie gesehen hatte.
    Er machte den Mund auf. Der Atem lag dick und weiß in der Luft. Die Ampel sprang auf Grün, als er in den Bus stieg.
    Thea lief zur Haltestelle vor. Sie nahm Nat gerade noch wahr, bevor sie den Bus erreichte.
    Nat stand mitten auf dem Platz und zitterte vor Kälte.
    Thea blieb stehen. Der Bus fuhr ab.
    Nat hauchte in die Hände.
    »Warum hast du keine Handschuhe an?« fragte Thea.
    »Der Verband ist zu dick«, sagte Nat, »ich krieg' den Handschuh nicht drüber, und einer allein sieht so aus, als ob ich auch noch einen künstlichen Arm hätte.«
    »Den Mantel hast du auch aus optischen Gründen weggelassen?«
    »Der ist zu schwer. Da kann ich mich gar nicht mehr bewegen.«
    »Wir fahren nach Hause«, sagte Thea, »es ist albern, daß ich aufpassen muß, was du anziehst.«
    »Wolltest du in den Bus steigen?« fragte Nat.
    Thea sah ihn an. Seine Miene war harmlos.
    »Warum glaubst du das?«
    »Du bist auf den Bus zugelaufen. Nicht auf mich.«
    »Stehst du schon lange hier?«
    »Nein«, sagte Nat, »ich habe

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