Themba
unserer Hütte aussteigen, beginnt es bereits, dunkel zu werden.
» Sobonana ngoMvulo - wir sehen uns am Montag!«, ruft Sipho und winkt. Er hat darauf bestanden, mit Jabu als Letzter im Minibus zu bleiben. Wir winken zurück, nicht ahnend, dass wir uns bereits in wenigen Stunden wiedersehen werden...
Das zweite Ereignis, das unser Leben verändern wird, steht unmittelbar bevor. Zunächst ist noch alles wie immer. Unsere Hütte ist abgeschlossen. Wie so oft hockt Onkel Luthando wahrscheinlich auch heute noch mit irgendwelchen Saufkumpanen zusammen und wird erst spät kommen, wenn wir schon schlafen. Ich bin sicher, dass er keine Ahnung hat, wo wir heute waren und was wir erlebt haben.
Nomtha schließt auf, und nachdem wir Tür und Fenster weit geöffnet haben, lassen wir uns erschöpft auf die Matte fallen. Während es in Umtata eher kühl war, herrscht hier eine drückende Gewitterluft. In der Ferne ist ein erstes Wetterleuchten am Abendhimmel zu erkennen, aber noch kein Donner zu hören. Wir sind zu müde, um uns noch etwas zu essen zu machen, und trinken beide nur mehrere Becher Wasser.
»Ob es ein Unwetter gibt?«, fragt Nomtha und schaut aus dem Fenster.
»Vielleicht haben wir Glück und es zieht vorbei«, antworte ich und ziehe meine Sachen aus. Erst jetzt merke ich, wie sehr mir nach dem heutigen Spiel die meisten Knochen und Muskeln wehtun. Aber es macht mir nichts aus. Wegen der Schwüle behalte ich nur eine Unterhose an und strecke mich erneut auf der Matte aus. Wenig später hat auch Nomtha ihr dünnes Nachthemd an und legt sich neben mich, ohne sich zuzudecken. Eine Weile reden wir noch über die tollsten Momente des heutigen Tages. Irgendwann beginnt draußen ein kräftiger Regen auf unser Dach zu trommeln, Blitz und Donner bleiben jedoch weiter aus. Wer von uns zuerst einschläft, bekomme ich nicht mit.
Mitten in der Nacht jedoch wache ich plötzlich auf. Zuerst denke ich, dass mich das Unwetter geweckt hat, das im Lauf der Nacht mit Sturm und nun auch Donnergrollen näher gekommen sein muss. Der Regen pladdert aufs Dach und unser Fensterrahmen klappt hilflos im Wind hin und her. Dann fällt mein Blick auf Nomtha - und voller Entsetzen begreife ich erst nach und nach, was meine Augen zwar sehen, was aber mein Gehirn sich weigert, als Realität zu erkennen.
Unmittelbar neben uns kniet Onkel Luthando, offenbar betrunken wie ein Pferd. Sein Oberkörper wankt hin und her. Mit der linken Hand hat er die Decke von Nomthas Oberkörper gezogen und ist gerade dabei, ihr Nachthemd hochzustreifen. Seine rechte Hand steckt in seiner geöffneten Hose und bewegt sich rhythmisch auf und ab. All das nehme ich im Bruchteil einer Sekunde wahr, aber ich brauche unendlich lange, wie mir scheint, um es auch zu begreifen. Endlich kann ich mich aus meiner Schreckstarre lösen. Mit einem unartikulierten Schrei springe ich auf und stoße Luthando mit all meiner Kraft von Nomtha weg und der Länge nach zu Boden.
Er schüttelt verwundert den Kopf und knickt beim ersten Versuch, sich zu erheben, um. In diesem Augenblick richtet sich Nomtha erschrocken im Bett auf und streift wie in einem Reflex sogleich ihr Nachthemd über ihre eben noch entblößten Brüste.
»Mein Gott, Themba!«, ruft sie erschrocken, noch immer nicht die ganze Situation erfassend.
Ich ziehe sie hoch, drücke ihr eine Hose und eine Bluse in die Hand und dränge sie zur Tür, bevor Onkel Luthando wieder bei Sinnen ist und ihr den Weg versperren könnte.
» Baleka - lauf, Nomtha!«, schreie ich sie an. »Lauf zu Sipho und warte dort, bis ich nachkomme!«
Ich weiß nicht, warum ich sie nicht zu Mama Zanele oder Tatomkhulu schicke oder warum sie sich nicht selbst entschließt, dorthin zu laufen, da die doch viel näher sind. Es hat wahrscheinlich mit dem Ungeheuerlichen zu tun, der sexuellen Erregung dieses Schweins von einem Onkel, etwas, für das ich keine Worte habe und das ich also auch keinem würde erklären können. Sipho ist der einzige Mensch, bei dem ich weiß, dass ich nichts erklären muss.
Nomtha bewegt sich nicht von der Stelle, aber ich befehle ihr mit der ganzen Autorität des älteren Bruders, die ich in diesem entsetzlichen Moment aufzubringen vermag, die Hütte zu verlassen. Und wahrscheinlich steht sie anfangs selbst noch so unter Schock, dass sie allein deshalb gehorcht.
Kaum ist sie draußen, knalle ich die Tür von innen zu, drehe den Schlüssel herum und werfe ihn in eine dunkle Ecke, um dem Onkel jede unmittelbare Verfolgung
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