Themba
Sipho hat bereits eine blutende Wunde am Schienbein, die mit einem Pflaster verarztet wird und für die wir einen Freistoß bekommen.
Das Unglück beginnt gut zehn Minuten vor Ende der zweiten Halbzeit. Noch immer ist kein Tor gefallen und beide Mannschaften werden langsam nervös. Dann geht alles plötzlich ganz schnell, eine Sache von wenigen Sekunden. Der neue Stürmer umspielt zuerst mich, gibt dann einen Pass zu einem seiner Leute und läuft selbst dicht vor unser Tor, ohne von einem unserer Verteidiger gedeckt zu werden. Ayanda erkennt die Gefahr, aber bei diesem geringen Abstand ist er machtlos. Der zweite Pass der Haie zurück zu dem Neuen gelingt und der verwandelt einen Schuss in die obere linke Torecke - das erste Tor für unsere Gegner. Die Haie-Fans im Stadion toben vor Begeisterung.
Nach dem Anstoß missglückt uns ein Pass und die Haie stürmen erneut auf unser Tor zu. Hinter mir ist nur noch einer unserer jüngeren Verteidiger, als der Neue auf mich zukommt und, anstatt mich zu umspielen, voll in mich reinrennt. Wir gehen beide zu Boden, aber er springt als Erster auf, und ich schaue entsetzt zum Schiedsrichter, der einfach weiterspielen lässt, obwohl es sich hier um ein klares Foul gehandelt hat. Unser junger Verteidiger hat keine Chance und - zack - sitzt das zweite Tor. Die Anhänger der Haie jubeln erneut, aber es sind auch viele Pfiffe zu hören, die an die Adresse des Schiedsrichters gehen.
Nur noch fünf Minuten zu spielen... Wir lassen uns unseren Ärger nicht anmerken und bauen unsere Angriffe auf, als hätten wir noch das ganze Spiel vor uns. Noch ein einziges Mal gelingt unserem Gegner ein Durchbruch. Außer dem Neuen hat noch ein weiterer Stürmer der Haie dessen brutalen Stil übernommen, der unseren Gegnern zwar nicht gerade die Sympathie im Stadion eingebracht hat, aber dafür immerhin schon zwei Tore. Ich bewundere Ayanda für die Ruhe, die er selbst jetzt noch ausstrahlt. In gebeugter Haltung steht er unter der Torlatte und fixiert einen der beiden Gegner, der in ungebremstem Tempo mit dem Ball auf ihn zustürmt.
Das Publikum hat wieder zu johlen begonnen... Ein drittes Tor scheint unvermeidlich. Da springt Ayanda plötzlich in zwei, drei Sätzen nach vorn und wirft sich der Länge nach auf den Ball. Anstatt noch rechtzeitig zu schießen oder auszuweichen, tritt der Stürmer mit aller Kraft zu und trifft statt des Balls Ayanda mitten ins Gesicht. Ayandas Kopf fliegt zurück, der gesamte Körper krampft im Schmerz zusammen, während beide Arme noch immer den Ball umschlossen halten. Ein Aufschrei geht durchs Stadion. Der Schiedsrichter kommt angelaufen und pfeift augenblicklich ab. Diesmal ist kein Zweifel möglich: »Foul!«
Dem Stürmer der Haie wird die Rote Karte gezeigt, was er murrend zu akzeptieren scheint.
Etwa gleichzeitig mit dem Schiedsrichter bin ich bei Ayanda. Er liegt bewusstlos auf dem Boden, Blut rinnt aus der Nase und aus einer Platzwunde an der Stirn.
»Sanitäter!«, schreit der Schiedsrichter und beginnt, mit einem ersten Verbandspäckchen, das er aus der Hosentasche zieht, die Blutung an der Stirn zu stoppen. Zusammen mit den zwei Sanitätern kommen auch Andys Vater, Nomtha, Lindi und Jabu zu uns aufs Feld. Besorgt beugen wir uns gemeinsam über unseren Freund. »Wahrscheinlich eine schwere Gehirnerschütterung… Wir bringen den Jungen sofort ins Krankenhaus!«, erklärt einer der beiden Sanitäter ruhig. »Ich fahre mit, wir sehen uns später«, erklärt Andys Vater und folgt den beiden, die Ayanda auf einer Trage vom Platz bringen.
Dann ruft der Schiedsrichter Sipho als unseren Kapitän zu sich und erklärt in unserem Beisein: »Zwei Dinge sind jetzt zu entscheiden: Ihr müsst einen Ersatztorwart benennen, und für das Foul gibt’s einen Freistoß, den einer von euch schießen muss. Ich gebe euch drei Minuten, um das zu klären.«
Sipho schaut kurz in unsere Runde. Wir nicken. Eine Diskussion ist nicht nötig - er hat das Recht, für uns zu sprechen.
»Mister«, sagt Sipho mit tiefer Stimme, »wir brauchen keine drei Minuten. Wir möchten, dass Sie uns erlauben, die letzten vier Minuten unseren zweitbesten Torwart einzubringen, auch wenn das vielleicht gegen internationale Regeln verstößt.«
Der Schiedsrichter wischt sich den Schweiß von der Stirn und schaut ungeduldig ob der langen Erklärung.
»Hier - das ist Lindi«, sagt Sipho. Er nickt Lindi zu, die ein grünes Band aus ihrer Hose zieht und sich wortlos die Schuhe abstreift, um mitspielen
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