Themba
der Singsang ihrer tiefen Stimme. Sie summt ein Kinderlied über den Regen und scheint uns nicht zu bemerken.
» Molo , Mama Zanele, kunjani ?«, rufe ich eine höfliche Begrüßung durch die angelehnte Tür.
Das Summen bricht ab, und sie ruft von drinnen, als hätte sie unser Kommen erwartet: » Ngenani, bantwana - kommt herein, Kinder!«
Drinnen sehe ich Mama Zanele in der Mitte der Hütte vor einer brennenden Kerze sitzen. Die Kerze steht auf einem bunt gewebten Tuch, drum herum liegen mehrere Knochenstücke verstreut. Vor dem Fenster hängt ein dunkler Stoff, der den Raum in ein seltsames Dämmerlicht taucht. Mama Zanele scheint in die Deutung der Knochen vertieft zu sein und schaut nicht auf, spricht aber mit klarer Stimme zu uns: »Dein Onkel ist nicht gut, Themba.«
Ich erschrecke. Hat sie irgendwas mitbekommen letzte Nacht? Ich schweige. Sie scheint auch gar keine Antwort zu erwarten, sondern bewegt ihre flache Hand nur weiter vorsichtig tastend über die Knochenteile, bevor sie fortfährt: »Deine Mutter wartet auf dich, mein Junge...«
Jetzt kann ich mich nicht mehr zurückhalten. »Wirklich, Mama Zanele?«, rufe ich ein bisschen zu laut.
Da blickt sie zum ersten Mal auf und mustert uns drei, die wir noch immer artig am Eingang stehen.
»Es ist nämlich so«, fahre ich hastig fort, »dass Nomtha und ich heute Abend zu Mutter nach iKapa fahren.« Bevor sie mich unterbrechen kann, schiebe ich meinen Freund und seinen jüngeren Bruder vor und sage: »Das ist Sipho, der Kapitän unserer Fußballmannschaft, und sein Bruder Jabu. Sie möchten mit dir sprechen.«
Mama Zanele macht eine einladende Geste. Zu dritt hocken wir uns ihr gegenüber neben die bunte Decke. Ein Windstoß von der Tür her lässt die Kerze heftig flackern. Sie droht zu erlöschen, richtet sich dann aber umso höher auf. Es ist, als würde es plötzlich heller im Raum.
Sie schaut die beiden Brüder mit einem warmen Lächeln an, drängt sie jedoch nicht, ihr Anliegen vorzubringen. Jabu richtet den Blick auf seinen älteren Bruder. Sipho soll sprechen. Aber er bringt keinen Ton heraus. Liefen nicht plötzlich Tränen über seine Wangen, könnte man denken, er sei versteinert.
Endlich flüstert er etwas, was niemand von uns versteht. Dann erst öffnet er den Mund und stottert: »Ihre Tochter...«
»Ja…«, unterstützt ihn Mama Zanele und nickt, als wüsste sie schon, was Sipho quält.
Es ist zu spüren, wie gern Sipho reden möchte. Wenn es nur nicht so schrecklich wehtäte. Er setzt erneut an und stößt endlich hervor: »Ihre Tochter… die… die ist dort, wo auch unsere Mutter ist...«
Jabu ergreift seine Hand und nun sitzen die beiden Jungen vor Mama Zanele wie zwei kleine Kinder, halten sich gegenseitig fest und können endlich beide weinen. Es ist ein Schluchzen, das erst ganz langsam wie sanftes Zittern aus ihren mageren Körpern aufsteigt und schließlich in ein bebendes Weinen übergeht, immer lauter wird und sie beide hin- und herschüttelt und vermutlich umwerfen würde, wenn sie sich nicht aneinander festhalten würden.
Erst als ihr Weinkrampf langsam verebbt und schließlich nur noch ein leichtes Zittern von ihrem inneren Aufruhr zeugt, zieht Mama Zanele die beiden links und rechts zu sich und legt ihnen jeweils einen ihrer großen, weichen Arme um die Schultern. »Ich werde euch helfen, eure Mutter zu beerdigen.« Und als Sipho sie aus seinem tränenverschmierten Gesicht anschaut, ergänzt sie: »Und niemand wird euch aus eurer Hütte verjagen!«
Keiner von uns hat, seit wir angekommen sind, auf die Zeit geachtet. Als mein Blick auf einen alten Wecker fällt, der neben Mama Zaneles Bett steht, erschrecke ich, wie spät es schon ist. Ich springe auf und schaue zur Tür hinaus. Tatsächlich: Die Sonne ist bereits im Sinken begriffen, und die Schatten lassen erkennen, dass es früher Nachmittag ist.
»Ich muss zurück zu Nomtha«, sage ich entschuldigend und bleibe bei der Tür stehen.
Mama Zanele klatscht in die Hände: »Natürlich müsst ihr jetzt los.« Dann hält sie doch noch einmal inne und sucht sorgfältig zwei Knochenstücke für Sipho und Jabu heraus. »Tragt die bei euch, bis wir uns wiedersehen«, erklärt sie den beiden.
Schließlich pustet Mama Zanele die Kerze aus und erhebt sich schwerfällig. Sie lässt uns nicht ohne Umarmung ziehen, aber als wir schon gut zehn Meter winkend den Pfad hinuntergelaufen sind, ruft sie mich noch einmal zurück: » Yiza , Themba... Themba... wie konnte ich das
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