Themba
Mann zurück. Ohne sich weiter um Nomtha und mich zu kümmern, steckt er seinen Gummiknüppel wieder in den Gürtel und setzt seinen Kontrollgang durch die Bahnhofshalle fort.
Zum Glück erspähen wir vom Eingang aus beinah gleichzeitig den Informationsschalter in der Nähe des Ausgangs zu den Gleisen. Ohne unsere Säcke noch einmal abzusetzen, gehen wir direkt dorthin und stellen uns in eine der Warteschlangen davor. Ein paar Minuten später sind wir an der Reihe. Hinter unserem Schalter sitzt eine junge farbige Frau, die uns auf Englisch fragt, womit sie uns helfen kann.
»Kennen Sie das Township Masiphumelele im Süden von Kapstadt?« Zur Sicherheit zeige ich ihr den Zettel von Mama Zanele.
Sie schüttelt ratlos den Kopf, studiert sorgfältig den Zettel, blättert in einem Buch und zuckt erneut die Schultern.
»Es soll ganz in der Nähe vom Meer sein«, ergänzt Nomtha und schaut sie flehend an. Ein älterer Mann hinter uns in der Schlange beginnt, unruhig zu werden, und beschwert sich in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Aber die junge Frau verteidigt uns und sagt zu ihm auf Englisch, dass jeder das Recht habe, hier Auskunft zu erhalten. Sie bittet uns, einen Moment zu warten, und zeigt unseren Zettel einer älteren Kollegin am Schalter nebenan. Deren Gesicht erhellt sich augenblicklich und sie macht mehrere Notizen auf einem großen Bogen. Mit diesem Papier kommt die junge Angestellte zu uns zurück und erklärt: »Alles klar. Masiphumelele liegt in der Nähe des Vorortes Fish Hoek. Bis dort könnt ihr mit einer Bimmelbahn fahren und in Fish Hoek müsst ihr einen Minibus nach Masiphumelele nehmen. Die Bahn nach Fish Hoek fährt in einer Viertelstunde von Gleis fünf.«
Wir strahlen sie an, und Nomtha kann in ihrer Freude nicht umhin, ihr zu verraten: »Unsere Mutter wohnt nämlich dort!«
Die junge Frau nickt uns verständnisvoll zu. »Die habt ihr wohl lange nicht gesehen, was?«
Wir lächeln zurück und gehen, nachdem wir die Fahrkarten nach Fish Hoek gekauft haben, zum Gleis fünf. Keine Müdigkeit von der langen Busfahrt, kein Ärger über den versuchten Überfall der drei Straßenjungen ist mehr zu spüren... bald werden wir bei Mutter sein, in ein paar Stunden, heute noch. Nur das zählt.
Der Vorortzug fährt mit etwas Verspätung in den Bahnhof ein, aber das macht nun auch nichts mehr aus. Sobald die automatischen Türen sich öffnen, steigen wir ein und besetzen zwei Fensterplätze am Anfang des Waggons. Endlich ertönt ein kurzes Signal, die Türen schließen sich wieder und die Bahn zuckelt los. Alle paar Minuten hält sie in einem anderen Bezirk von Kapstadt. Uns fällt auf, wie sich die Hautfarben der Fahrgäste ändern, je nachdem wo der Zug hält. Anfangs wimmeln alle Hautfarben durcheinander, dann sind überwiegend farbige Frauen und Männer im Abteil, dann wieder mehr schwarze. Die meisten haben einfache Arbeitskleidung an, wenige Männer tragen einen Anzug mit weißem Hemd und nur einmal sehen wir eine farbige Dame in einem eleganten Kostüm mit hochhackigen Schuhen. Nomtha starrt völlig fasziniert auf die glänzenden Schuhe, so lange bis die Frau sie verärgert und mit hochgezogenen Brauen fragt: »Ist was?«
Nomtha schüttelt erschrocken den Kopf. Ich strecke der Frau die Zunge raus und Nomtha lacht erleichtert.
Allmählich werden die Häuser weniger. Mehr und mehr offenes Gelände wechselt sich ab mit kleinen Fabriken und großen Industrieanlagen. Die Sonne ist inzwischen von dunklen Wolken verdeckt, und ein kühler Wind bläst bei jedem Halt herein, wenn sich die Türen öffnen. Schließlich fährt die Bahn eine lange Rechtskurve, und plötzlich sehen wir unmittelbar links von uns das Meer, dessen aufgepeitschte Wellen in nur wenigen Metern Entfernung auf zerklüftete Felsen krachen. Die nächste Viertelstunde fahren wir unmittelbar an der Küste entlang, rechts von uns eine Autostraße, links das Wasser. Bei jedem Halt pressen wir unsere Gesichter gegen die Scheibe, um rechtzeitig die Schilder auf dem Bahnsteig lesen zu können. Schon klatschen erste schwere Regentropfen gegen das Glas. Da geht es erneut in eine Kurve, und Nomtha ruft: »Fish Hoek... da steht es! Los, schnell! Wir müssen aussteigen!«
Als sich die Türen öffnen, pladdert bereits dichter Regen bis in den Waggon hinein. Mit uns steigen noch andere aus und versuchen hastig, sich mit über den Kopf gehaltenen Tüten und Taschen vor dem Schauer zu schützen. Eine ältere schwarze Frau, ziemlich dick, die genau
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