Themba
vergessen?«
Sie verschwindet kurz im Haus und kommt dann mit einem kleinen Zettel zurück, den sie mir in die Hand drückt: »Vor ein paar Tagen rief meine Freundin an und sagte, dass es nur ein Township gut dreißig Kilometer südlich von Kapstadt und dicht am Meer gibt. Ob eure Mutter da noch immer ist, konnte sie nicht sagen, aber auf jeden Fall hat sie dort eine Weile gewohnt.«
Ich falte den Zettel in ihrem Beisein auseinander und lese das lange Wort, langsam buchstabierend: »Masiphumelele... Ist das der Name des Townships?«
» Ewe - ja«, bestätigt Mama Zanele.
Masiphumelele bedeutet: Wir werden es schaffen! Vielleicht ist das ein gutes Omen.
Wir winken ein letztes Mal und laufen dann, so schnell wir können, zurück zu Siphos Hütte, wo Nomtha bereits ungeduldig wartet.
Jabu ist völlig außer Puste und wird bei den Kleinen bleiben, während es sich Sipho nicht nehmen lässt, Nomthas Jutesack zu tragen und uns bis zur Haltestelle der Minibusse zu bringen, derselben, von der auch Mutter damals aufgebrochen ist.
Wie an jenem Tag stehen wir auch heute in den letzten Minuten vor der Abfahrt nervös und innerlich angespannt beieinander. Sipho verspricht, alle Lion Strikers morgen beim Training zu informieren.
»Grüße besonders Ayanda und Andy und seinen Vater!«, sage ich mit heiserer Stimme.
»Ich grüße jeden von dir!«, antwortet Sipho.
Da kommt der Ruf zum Einsteigen und die Schiebetür knallt zu. Die Fensterscheibe ist so verschmiert, dass wir von Sipho nur noch die groben Umrisse erkennen können.
»Er winkt!«, ruft Nomtha und bewegt ihre Hand trotz der Enge zwischen den vielen anderen Fahrgästen, die steif neben uns sitzen, wild hin und her.
Ich schaue nur stumm durch das dreckige Glas. Ganz bestimmt werde ich Sipho schreiben.
Endleleni
Unterwegs
Noch nie zuvor bin ich eine ganze Nacht lang im Bus gefahren. Im Dunkeln ist draußen fast nichts zu sehen, dennoch schlafe ich kaum und versuche, die großen blauen Hinweisschilder am Straßenrand zu entziffern, die immer nur für wenige Sekunden im Scheinwerferlicht unseres Busses aufleuchten. Die Namen der Städte sind meist in Englisch angegeben: East London, Port Elisabeth, George, Riversdale und schließlich immer nur noch Cape Town... iKapa, wo Mutter ist und noch keine Ahnung hat, dass wir auf dem Weg zu ihr sind.
Nomtha ist schon kurz nach der Abfahrt in Umtata in Schlaf gefallen, und wann immer sie in der Nacht von selbst aufwacht oder durch ein besonders starkes Rumpeln des Busses aus dem Schlaf gerissen wird, fragt sie mit halb geschlossenen Augen: »Wie weit ist es noch, Themba?«
Aber bevor ich mit ausführlichen Erklärungen über die letzten Straßenschilder beginnen kann, hat sie sich schon wieder auf dem Sitz neben mir zusammengekauert und ist erneut eingeschlafen.
Gut, dass ich eine große Wasserflasche und eine Tüte mit Obst mitgenommen habe, sodass wir unterwegs nichts zu kaufen brauchen. An den wenigen Raststätten, bei denen wir halten, damit Fahrgäste die Toiletten benutzen und etwas zu essen und zu trinken kaufen können, registriere ich erschrocken, wie viel teurer hier alles ist, als ich es von daheim gewohnt bin. Allein die Busfahrkarten haben schon mehr als die Hälfte unseres Geldes aufgefressen. Ich bin entschlossen, den Rest zusammenzuhalten, damit wir, wenn wir einmal in iKapa angekommen sind, noch genug haben, um die ersten ein, zwei Tage über die Runden zu kommen. Außerdem müssen wir ja auch noch die Fahrt zu jenem Township im Süden am Meer bezahlen.
Erst am frühen Morgen muss ich endlich auch selbst eingeschlafen sein. Jedenfalls schrecke ich hoch, als der Busfahrer per Lautsprecheransage informiert, dass wir in gut einer Stunde am Busbahnhof im Zentrum von Kapstadt ankommen werden. Als ich die Augen aufmache, ist bereits die Sonne aufgegangen und hat alles in goldenes Licht getaucht. Der Bus rollt aus einem hohen Gebirge in lang gestreckten Serpentinen hinunter in ein weites Tal, das sich am anderen Ende zum Meer hin öffnet. Von hier oben sind die ersten Vororte und Randbezirke von iKapa gut zu erkennen. Was für eine riesige Stadt! So weit das Auge reicht, nur Straßen und Häuser, die immer größer und vornehmer werden, je näher wir der Innenstadt kommen.
Aufgeregt rüttle ich an Nomthas Arm: » Jonga - schau mal: der Tafelberg!«
Sie räkelt sich mit steifen Gliedern und nimmt erst einen langen Schluck aus unserer Wasserflasche, bevor sie die Augen richtig aufmacht. Vor uns am Horizont
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