Themba
wie wir viel Gepäck bei sich trägt und nur mit Mühe aus dem Zug klettert, spreche ich an, als wir eine lange Treppe in einer Unterführung hinabsteigen. Ich frage sie nach dem Township.
» Kulungile - kein Problem«, entgegnet sie schwer atmend. »Kommt einfach mit mir, ich muss auch dorthin.« Sie schnauft unter der Last zweier Taschen in ihren Händen und eines Rucksacks auf ihrem Rücken. Gleich neben dem kleinen Bahnhofsgebäude erspähen wir durch den Regen mehrere Minibusse.
Beim Einsteigen sagt der Fahrer: »Drei Rand fünfzig.«
Ich zahle sieben Rand für uns beide und frage ihn, wie lange die Fahrt dauert.
»Nicht lange«, antwortet er. »In fünfzehn Minuten seid ihr dort.«
»In fünfzehn Minuten!«, wiederholt Nomtha und schaut mich beinah ungläubig an. Von dem kurzen Stück Weg sind wir beide klitschnass und Regen tropft aus unseren Haaren. Aber was macht das schon? Nur noch wenige Minuten und wir sind dort, wo Mutter zumindest einige Monate gewesen ist und hoffentlich noch immer wohnt. Sicher wird es dort ein paar Menschen geben, die sie gekannt haben oder kennen und die uns weiterhelfen können.
Auf gut Glück frage ich gleich mal die alte Frau, die ihr Gepäck inzwischen hinten im Minibus verstaut und in einer Sitzreihe hinter uns Platz genommen hat: » Uxolo - Verzeihung, kennen Sie vielleicht zufällig Mandisa Matakane? Sie ist vor einigen Monaten im Township angekommen.«
Sie versteht zuerst nicht und ich wiederhole die Frage. Mit einem großen bunten Taschentuch wischt sie sich über ihr rundes Gesicht, dann schüttelt sie den Kopf und antwortet: »Junge, in Masiphumelele wohnen mehr als zwanzigtausend Menschen, vielleicht sogar dreißigtausend. Und viele ziehen beständig hin und her zwischen hier und Mpuma-Koloni. Es ist unmöglich, jeden zu kennen. Es gibt Familien mit dem Namen Matakane, soweit ich weiß, aber ob die Frau dabei ist, kann ich euch wirklich nicht sagen.«
Na, das kann ja heiter werden, denke ich. Zwanzig- oder dreißigtausend Menschen! Das ist, als wollte man in einem Ameisenhaufen nach einer ganz bestimmten Arbeiterin suchen. Aber ich sage nichts, um Nomtha nicht zu entmutigen, und bedanke mich bei der Frau: »Kein Problem, wir finden sie schon.«
Von Fish Hoek können wir wegen des Regens, der an den beschlagenen Busfenstern herunterläuft, nur wenig erkennen. Es scheinen aber überwiegend weiße Leute hier zu wohnen. Ein paar Reklameschilder in den Schaufenstern der Läden in der Hauptstraße sind englisch oder afrikaans beschriftet. Dann sind wir auch schon außerhalb des Ortes, und bevor wir uns groß orientieren können, bremst der Bus erneut und biegt scharf rechts ab. Mit deutlich gedrosseltem Tempo rumpelt er noch ein kurzes Stück über eine holprige Straße, bevor er hält, die Schiebetür auffliegt und alle Fahrgäste hinausdrängen.
»Masiphumelele!« Die alte Frau nickt uns zu, während sie ihren schweren Rucksack schultert. Dann stapft sie davon, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Noch immer regnet es, wenn auch nicht mehr so stark wie vorhin am Bahnhof. Dafür weht ein eiskalter Wind, der uns augenblicklich zittern lässt. »Mann, ist das hier kalt!«, sage ich mit zusammengebissenen Zähnen zu Nomtha, die ihre einzige Strickjacke übergestreift und bis oben zugeknöpft hat. Den Jutesack balanciert sie auf dem Kopf, was aber nur wenig Schutz vor dem Regen bietet.
Vor uns liegt eine einzige größere Straße ohne Gehwege, die in das Township hineinführt und deren Asphalt mehr oder weniger große Löcher aufweist, in denen sich jetzt zunehmend das Regenwasser sammelt. Wir haben gar keine andere Wahl, als zunächst dieser Straße zu folgen.
Trotz der Kälte und des Regens laufen überall kleine Kinder barfuß umher. Ab und zu braust ein klappriges Auto in viel zu hohem Tempo an uns vorbei, und wir können meist erst in letzter Sekunde zur Seite springen, um nicht auch noch das Wasser aus den Schlaglöchern abzubekommen. Es gibt nur wenige Steinhäuser hier, die meisten Hütten sind einfache Shacks , zusammengebastelt aus allen möglichen Metall- und Holzresten und sonstigen Abfallmaterialien. Mehrere Shacks sind um je einen Wasserhahn und ein Toilettenhäuschen gebaut, die sich offensichtlich alle dort wohnenden Familien teilen. Aber immerhin stehen Lampenmasten an der Straße und zu den meisten Shacks , selbst den einfachsten Bruchbuden, führen Elektrokabel.
Nachdem wir ein paar hundert Meter der Hauptstraße gefolgt sind, von der auf beiden
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