Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
Augenbraue begleitet. „Dass wir den Älteren mit Achtung begegnen, ihnen Respekt zollen und ihren Aufforderungen Folge leisten. Disziplin. Mäßigung. Anstand. Verhaltensweisen, die ihr offenbar vollständig abgehen.“
Ich sah meiner Mutter an, dass es sie einerseits drängte, mich zu verteidigen, sie sich aber andererseits ebenfalls über mein störrisches Verhalten ärgerte. „Richtig. Ich schlage daher vor, dass Aella für die nächste Woche den Tischdienst jeweils für den Tisch der Jüngsten und der Ältesten übernimmt.“
„Tischdienst? Für eine Woche?“, schnappte Areto ungläubig. „Ich bitte dich, Atalante! Nein, Aella muss aus der Gemeinschaft verbannt werden. Zumindest für eine gewisse Zeit.“
„Kommt nicht in Frage. Aella hat unserer Gemeinschaft viel zu lange entbehrt. Außerdem ist nichts passiert und sie hat es nicht böse gemeint.“
Ich schaute nur zwischen den beiden hin und her, während sie feilschten, bis sie sich auf eine Bestrafung geeinigt hatten. Es blieb beim Tischdienst, allerdings für einen Zeitraum von einem Monat und für alle Tische im Speisesaal. Es kümmerte mich nicht. Hätten sie mich zur Jagd verdonnert, wäre es viel schlimmer gewesen.
„Na gut“, sagte ich. „Aber ich verlange, dass ich mitkommen darf, wenn die Babys an die Familien ihrer Väter übergeben werden.“ Ich musste mir das mit eigenen Augen ansehen. Ich musste sicher gehen, dass die Kinder wirklich zu ihren neuen Familien gelangten.
Areto lachte grimmig auf. „Du hast nicht das Recht, irgendetwas zu verlangen. Das ist kein Handel, meine Liebe. Das ist eine Anordnung.“
„Da hat sie leider recht. Außerdem ist die Übergabe der Söhne eine Angelegenheit, die diplomatisches Feingefühl verlangt.“ Und nach deinem Verhalten gestern bezweifle ich stark, dass du so etwas besitzt, sagte mir Atalantes Gesichtsausdruck.
„Wer wird diese Aufgabe übernehmen?“, wollte ich von ihr wissen.
„Ich werde reiten. Deianeira wird mich begleiten.“
Ich atmete ein kleines bisschen auf. Ich wusste, dass meine Mutter dem Kind nichts tun würde. Und Deianeira auch nicht.
Bevor ich das Zimmer verließ, drehte ich mich noch einmal um und sah Areto in die Augen.
Ich weiß, dass du ihm was antun wolltest, sagte mein Blick.
Und, Ich krieg dich noch klein, verlass dich drauf , sagte ihrer.
Aus Angst, ihn zu lieb zu gewinnen, besuchte ich Padminis Sohn nicht mehr, aber ich war zugegen, als er und der andere männliche Säugling, der ein paar Tage zuvor geboren worden war, von Themiskyra weggebracht wurden. Die kleinen Buben wurden von Atalante und Deianeira an einem Treffpunkt jenseits des Waldes ihren Vätern ausgehändigt und wir würden nie wieder von ihnen hören. Zumindest so lange nicht, bis sie vielleicht als potentielle Väter der nächsten Generation in Betracht gezogen werden würden.
Zuerst mied mich Padmini noch mehr als sonst. Vielleicht, weil ich das, was sie als entsetzliche Schmach empfinden musste, so hautnah mitbekommen hatte. Oder, weil sie immer noch böse auf mich war – immerhin war ich indirekt daran schuld, dass sie diese Schwangerschaft überhaupt hatte über sich ergehen lassen müssen. Oder vielleicht einfach auch nur, weil sie traurig war und ein bisschen Zeit brauchte.
Doch ein paar Tage, nachdem sie aus der Klinik entlassen worden war, blieb sie mit mir im Speisesaal zurück und half mir bei meinem Straftischdienst, den ich unverzüglich angetreten hatte.
„Das musst du nicht machen“, sagte ich zu ihr, nachdem wir eine Weile schweigend Geschirr gestapelt hatten. „Ich bin selbst schuld.“
„Ja, das bist du. Selten dämlich von dir, dich mit meiner Mutter so anzulegen“, gab sie pampig zurück. „Aber ich … bin dir trotzdem zu Dank verpflichtet.“
„Was?“ Ich drehte mich zu ihr um. „Warum? Weil ich dir Tee gekocht habe?“
Sie zog eine gequälte Grimasse. „Ja, deshalb auch. Aber ich meinte eigentlich etwas anderes.“ Sie sah mit gerunzelter Stirn auf die Terrasse hinaus. „Ich bin dankbar, dass du meinen … das Kind Tetra gegeben hast und nicht meiner Mutter.“
„Moment mal, du traust ihr auch nicht? Deiner eigenen Mutter?“
Padmini schüttelte den Kopf. „Du kennst ihren Ehrgeiz nicht. Für mich ist es einfach nur schlimm, für sie ist es eine Katastrophe. Ich wollte dieses Kind nie haben, aber ich will auch nicht, dass es …“ Sie stockte und suchte meinen Blick. „… aus ungeklärten Ursachen tot in seinem Bettchen gefunden
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