Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
Küche.“
Er nickte langsam, ohne mich zu fokussieren.
„Ich beeile mich. In zehn Minuten bin ich wieder da.“
Es war mir nicht wohl dabei, ihn alleine zu lassen, aber ich musste dafür sorgen, dass er genug trank und der Tee würde ihn von innen wärmen.
Ich rannte fast zur Küche, besann mich dann aber eines Besseren und schaltete einen Gang herunter, bevor ich das Gebäude betrat. Wenn die Küchenamazonen herausbekämen, wofür ich die Sachen wollte, würden sie sich bestimmt ebenso verweigern wie Sevishta. Also ging ich in aller Ruhe in die Vorratsräume und holte mir jeweils eine Dose Kamillen- und Salbeitee, und wo ich schon hier war und noch dazu ziemlich wütend auf das Regime, ließ ich noch ein Stück Schinken und einen kleinen Laib Käse mitgehen, die ich in meiner Tasche verbarg. Die eine Amazone, der ich auf dem Weg begegnete, nahm mich gar nicht wirklich wahr und grüßte nur nebenbei zurück.
Zurück in der Hütte kochte ich einen Kamillentee, den ich Dante langsam einflößte. Ich überlegte, wie ich seine Temperatur, abgesehen von der Schwitzkur, senken konnte, und erinnerte mich daran, dass mein Vater mir Wadenwickel gemacht hatte, wenn ich als Kind Fieber gehabt hatte. Das endlich schien zu helfen, nach einer Weile fühlte sich die Stirn des alten Mannes kühler an und er fiel in ruhigen Schlaf. Ich atmete auf, konnte aber nicht still sitzen bleiben. Während ich die nassen Handtücher aufhängte, dachte ich: Vielleicht sollte ich noch ein paar Decken aus der Kardia holen. Aber die würde ich nie unauffällig hierher transportieren können. Unter Umständen konnte ich das später machen, wenn die anderen beim Abendessen waren.
Oh Göttin, das Abendessen … Polly würde mich vermissen und sich bestimmt wieder Gedanken machen, und ich hatte keine Möglichkeit, sie darüber in Kenntnis zu setzen, was passiert war. Ich verfluchte den Verfall. Wie einfach wäre alles gewesen, wenn es noch EazFones und Krankenhäuser gegeben hätte. Ich hatte nicht einmal ein Fieberthermometer.
Inzwischen dämmerte es. Ich zündete ein paar Kerzen an und begann, leise im Raum auf und ab zu laufen. Auf einmal fiel mein Blick auf den kleinen Holztisch neben Louis' Bett und ich glaubte, meinen Augen nicht zu trauen. Da der Kerzenschein nur spärlich in diese Ecke der Hütte drang, trat ich näher, um sicherzugehen.
Tatsächlich. Mein Pfeil. Der eine, den ich verschossen hatte, bevor ich Louis und Juri im Wald begegnet war. Ich erkannte ihn eindeutig an der etwas schiefen Wickelung wieder, die die dunkelblau schillernden Elsterfedern am Schaft festhielt – meine Schwestern hätten das besser hinbekommen. Außerdem: Ich hatte soviel Zeit und Mühe investiert und mich so eingehend mit dem Ding beschäftigt, dass ich jedes Detail kannte.
Was zur Hölle macht mein Pfeil hier? In dieser Hütte? Auf diesem Nachttisch? Ich ließ ihn dort liegen und nahm noch konfuser als zuvor mein Hin- und Hergelaufe wieder auf. Alle fünf Sekunden blickte ich aus dem Fenster.
Und plötzlich – endlich! – sah ich eine hochgewachsene Gestalt auf die Hütte zukommen und lief auf die kleine Veranda hinaus. Am liebsten wäre ich ihm einfach um den Hals gefallen, hätte mich trösten und mir sagen lassen, dass alles gut würde …
Haltung bewahren. Und einen kühlen Kopf, schärfte mir mein Verstand ein. Du bist nicht hier, um dich in sein Leben einzumischen. Es geht nur um Dante.
„Ell …“, begann Louis entgeistert, als er die Stufen hochkam und mich erblickte.
Er befand sich immer noch im Status unrasiert/trotzdem sexy und war komplett verwirrt, was meine Anwesenheit betraf. Den Bruchteil einer Sekunde lang schien sich seine Verblüffung aufzulösen und der Hauch eines Lächelns breitete sich auf seinem Gesicht aus. Bis er merkte, dass ich komplett durch den Wind war. Sofort war das Misstrauen wieder da.
„Was machst du hier?“, fragte er scharf.
„Keine Sorge, bin sofort wieder weg“, gab ich kühl zurück. „Ich habe Dante aus der Färberei hierher gebracht. Er ist krank, wahrscheinlich hat er eine Lungenentzündung."
Wortlos eilte Louis an mir vorbei zu Dantes Bett, um seine Temperatur und seinen Puls zu fühlen. Die Berührung weckte den alten Mann und er öffnete blinzelnd seine fiebrig glänzenden Augen.
„Deine kleine Amazone war da“, sagte er mit schwacher Stimme zu Louis und ich hätte schwören können, dass er ihm zuzwinkerte, bevor er wieder in den Schlaf sank, aber wahrscheinlich bildete ich mir das
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