Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
sorgte immerhin dafür, dass der Hof verlassen war, als ich Dante langsam zum Klinikum brachte. In der kleinen Eingangshalle ließ ich ihn hinsetzen. Ich wollte gerade losgehen, um Hilfe zu holen, da sah ich, dass uns Sevishta entgegenkam.
„Gut, dass du da bist. Ich brauche Hilfe“, rief ich und wies auf Dante.
Sie sah den alten Mann stirnrunzelnd an. „Was erwartest du von mir?“, fragte sie.
Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. Sie war doch hier die Ärztin.
„Er hat keine Luft mehr bekommen und ist bewusstlos geworden und ich glaube, er hat Fieber. Und schlimmen Husten“, fasste ich hilflos zusammen.
Sevishta sah mich an, als hätte ich den Verstand verloren. „Wir können ihn hier nicht behandeln.“
„Was?“ Ich glaubte, mich verhört zu haben. „Wieso nicht, um Himmels Willen?“
„Das ist ein Krankenhaus für Frauen, für Amazonen, für uns“, sagte sie so langsam und deutlich, als hätte sie es mit einer Schwachsinnigen zu tun. „Er muss in eine normale Klinik. Die Arbeiter sollen sich darum kümmern.“
Damit war das Thema für sie offensichtlich erledigt und sie wandte sich zum Gehen, aber ich rief ihr verzweifelt hinterher: „Sevishta! Du weißt genau, dass es keine normalen Krankenhäuser mehr gibt!“
Sie verharrte im Schritt und sagte über ihre Schulter hinweg: „Ich kann nichts machen. So sind nun einmal die Regeln.“
Ich spielte meinen letzten Trumpf aus. Bisher hatte ich stets vermieden, ihn einzusetzen, denn er war nicht fair. Aber was war an dieser Situation schon fair? „Ich werde mit Atalante sprechen. Sie wird das nicht billigen.“
Sevishta lachte humorlos. „Sie hat die Regeln gemacht. Ich gehe davon aus, dass sie dir keine andere Antwort geben wird als ich. Außerdem ist sie verreist, wie du sicher weißt.“
Und von Areto, der momentanen Ersatz-Paiti, würde ich keine Hilfe erwarten können. Im Gegenteil. Ein weiteres Mal hätte ich heulen können, diesmal jedoch aus Frustration. Aber ich durfte mir jetzt keine Schwäche erlauben. Wenn Sevishta mir nicht half, musste ich mich eben selbst um Dante kümmern.
„Komm mit“, sagte ich zu ihm, der sich den unerfreulichen Dialog angehört hatte, ohne sich einzumischen. „Gehen wir.“
„Ich hätte dir gleich sagen können, dass das nichts wird“, meinte er auf dem Weg zur Tür.
„Du wusstest, dass sie dich nicht behandeln würde? Warum hast du das nicht gesagt? Dann hätten wir uns den Weg sparen können.“
Ich kochte innerlich vor Wut auf die Ärztin. Hatten sie nicht die Pflicht, sich um Kranke zu kümmern? Hatten sie nicht den Hypokratischen Eid geschworen? Aber das galt ja hier alles nichts. Hier gab es eigene Regeln, das wusste ich ganz genau.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“, erwiderte er.
„Keiner stirbt.“ Jetzt über das Sterben zu reden und sei es auch nur das eines Gefühls, konnte ich im Moment nicht ertragen. Der Weg zu den Arbeiterquartieren zog sich, denn wir mussten einige Pausen einlegen, weil Dante schlecht Luft bekam. Auch dort war alles menschenleer, die Bewohner waren noch auf den Feldern oder in den Produktionshallen an der Arbeit.
Ich ließ mir von Dante die Holzhütte zeigen, in der er und Louis wohnten. Drei Holzstufen führten auf eine winzige Veranda, auf der eine schmale Bank stand. Dante zog einen Schlüssel aus der Hosentasche und ich sperrte für ihn auf. Das kleine Haus bestand aus einem einzigen Raum, der von einigen wohlgefüllten Bücherregalen in ein Wohnzimmer, zwei Schlafbereiche und eine Küche aufgeteilt wurde. Alles in allem und abgesehen von den fehlenden Trennwänden war es weniger schlimm, als ich erwartet hatte. Dafür, dass hier zwei Männer hausten, war es sogar erstaunlich ordentlich und gemütlich, und das Dach schien doch dicht zu sein; zumindest sah ich keine Pfützen auf dem Boden.
Ich half Dante, sich auf sein Bett zu legen, das sich in der rechten Ecke des Raums hinter der Küche befand, und breitete alle Decken, die ich auf den Betten und in den Schränken finden konnte, über ihn. Zusätzlich entzündete ich ein Feuer in dem kleinen Holzofen und schnell breitete sich angenehme Wärme in der Hütte aus. Jeden Handgriff kommentierte ich, um Dante zu signalisieren, dass er nicht alleine war, und um selbst nicht den Kopf zu verlieren.
Dann durchsuchte ich die Vorratsschränke, fand aber nichts, woraus ich einen Tee hätte machen können. Männerhaushalt.
Ich trat zu ihm ans Bett und fragte: „Kommst du kurz allein zurecht? Ich muss in die
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