Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
war, holte ich mein Diebesgut und eilte zurück in Richtung Kardia.
„Ell?“, erschallte eine Stimme. Widerwillig blieb ich stehen und drehte den Kopf. Es war Paz, die mich aus dem Fenster der Schneiderei zu sich rief.
„Was gibt’s?“, fragte ich nervös, als ich bei ihr im Studio stand, und unterdrückte den Drang, den Beutel hinter meinem Rücken zu verstecken. Ein Stoffsack mit Essen. Na und? Ich helfe bei den Vorbereitungen, präparierte ich meinen Kopf mit Lügen. Doch sie waren nicht nötig.
„Hast du Padmini gesehen?“ Paz wirkte ein wenig besorgt.
„Seit gestern nicht, nein.“
„Sie hat ihr Kleid noch nicht abgeholt. Die anderen beiden Yashti waren schon vormittags da, um ihre Gewänder mitzunehmen, aber sie hat sich noch nicht blicken lassen.“
„Vielleicht hat sie es vergessen?“, mutmaßte ich. Eher verdrängt … Padmini in einem Kleid war ohnehin eine komische Vorstellung. „Wenn du willst, bringe ich es ihr. Ich muss sowieso in die Kardia.“
„Das wäre nett. Warte einen Augenblick, ich muss es von drüben holen.“
Paz verschwand im Nebenraum und ich handelte fast ohne nachzudenken. In wenigen Schritten war ich im Lagerraum und griff mir eins der dunklen Hemden, die dort an der Stange hingen. Arbeiterhemden. Ich überprüfte kurz die Größe, dann stopfte ich es mit zitternden Fingern zu den Vorräten in den Beutel und rannte wieder hinüber ins Atelier. Keine Sekunde zu früh.
Die Ideenreiche kam zurück und legte mir mit einem dankbaren Lächeln ein in Seidenpapier gewickeltes Päckchen in die Hände. Schlechtes Gewissen ließ mir die Haut im Gesicht zu eng werden. Abgesehen von Tetra – und Atalante natürlich – war Paz mir in ihrer ruhigen, fast mütterlichen Art die Liebste von den erwachsenen Amazonen. Ich hatte gehofft, bald bei ihr lernen zu dürfen. Und nun bestahl ich sie. Ich fühlte mich schrecklich.
Er hat sein Hemd zerrissen, damit du nicht verblutest. Es ist nur fair, wenn du ihm ein neues zukommen lässt. Und wenn du in ein paar Monaten bei Paz arbeitest, kannst du einfach ein neues schneidern, beruhigte mich mein Herz.
„Und keine Umwege und heimliche Anproben. Bring es direkt zu ihr“, wies Paz mich an.
„Klar! Was denkst du von mir!“, fragte ich gespielt empört.
Das Paket vorsichtig vor mir balancierend lief ich ins Haus, verstaute die gestohlenen Sachen in unserem Zimmer und klopfte dann bei Padmini an. Ich erhielt keine Antwort und dachte, dass sie vielleicht gerade duschte, also beschloss ich, ihr das Kleid einfach ins Zimmer zu legen. Doch als ich eintrat, sah ich sie alleine auf ihrem Bett sitzen. An ihren rotgefleckten Wangen und dem zusammengeknüllten Taschentuch in ihrer Hand erkannte ich, dass sie geweint hatte.
Sie hob den Blick. Wut glomm darin auf. „Was willst du denn hier?“
„Dein Kleid …“, stammelte ich überfordert. Padmini war überhaupt nicht wiederzuerkennen. Hatte es etwas mit dieser Yashta-Sache zu tun? Oder mit dem Streit, den ich unfreiwillig belauscht hatte? Oder mit beidem?
Sie zeigte mit einer knappen Handbewegung auf den Stuhl. „Leg es dahin und dann verzieh dich.“
Ich kam ihrer Aufforderung nach. Zumindest, was den ersten Teil betraf. Schon fast wieder bei der Tür angelangt zögerte ich jedoch und wandte mich wieder um.
„Ist alles in Ordnung?“
„Alles bestens .“
„Kann ich etwas für dich tun?“
Sie schnaubte. „Du? Sicher nicht.“
„Soll ich Tetra holen?“
Padmini schüttelte stumm den Kopf.
„Atalante?“
Heftiges Kopfschütteln.
„Deine Mutter?“
Sehr heftiges Kopfschütteln. „Hau schon ab“, knurrte sie.
Eigentlich wollte ich nichts lieber tun als das, aber ich brachte es nicht über mich, sie in diesem Zustand alleine zu lassen. Sie war meine Cousine und obwohl sie ein Biest und ich noch ungeübt in diesen Familiendingen war, hätte ich es fies gefunden, sie einfach so zurückzulassen. „Das Kleid ist schön geworden. Willst du es mal ansehen?“
„Bist du irgendwie taub?“, fuhr sie mich an. „Du sollst mich in Ruhe lassen! Muss ich dich erst eigenhändig rauswerfen?“
Wir beide ignorierten diese Aussage, denn als ich zu ihr ging und mich vor ihr auf den Boden setzte, damit ich ihr in die Augen sehen konnte, tat sie nichts, um ihre Drohung wahrzumachen.
„Was habe ich dir eigentlich getan?“, fragte ich ganz ruhig.
„Du nervst mich zu Tode!“
„Nein, ich meine, früher schon. Seit ich hier angekommen bin. Oder ein paar Tage danach.“
Sie wich mir
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