Themiskyra – Die Begegnung (Band 1) (German Edition)
passenden Worte zu finden, besann sich dann aber auf meine Formulierung, „… dass du dich sofort an die Reproduktion machst. Die einzige Regel lautet, dass du alles mit dem 'Shim zusammen machen musst, jagen, Holz sammeln, kochen und so weiter. Und so gewöhnst du dich mehr oder weniger an ihn – und er sich an dich und …“ Ihre Stimme verlor sich und sie zuckte mit den Schultern.
„Und?“, fragte ich nach und wedelte nun meinerseits mit den Händen.
„Nun, eins führt zum anderen.“
„Aha.“ Ich verschränkte die Arme und betrachtete sie abwartend, während sie die Hufe ihres Pferds auskratzte.
„Und so vergeht die Zeit.“
„Verstehe.“
Padmini sah zu mir hoch, und irgendetwas in meinem Gesicht schien sie auf die Palme zu bringen. Mit einem Ruck richtete sie sich auf und schnappte: „Du verstehst gar nichts, du Sumpfhuhn! Es ist eine Pflicht, nichts weiter.“
„Natürlich.“
Sie ließ ihren Blick aus dem Stalltor schweifen. Mit gedämpfter Stimme vertraute sie mir an: „Aber es gibt schlimmere Pflichten. Es ist okay. Mehr als das. Es war … angenehm.“ In ihren Augen sah ich wieder das Glitzern, das mir schon aufgefallen war. „Und er war sehr … höflich. Für einen Mashim.“
„Wirst du ihn vermissen?“, fragte ich vorsichtig.
Padminis Kopf fuhr zu mir herum. Entgeistert starrte sie mich an. „ Vermissen?! “ Sie schüttelte den Kopf, als glaube sie, sich verhört zu haben. „Eher stoße ich mir diesen Hufauskratzer ins Herz, als dass ich zulasse, dass es auch nur für eine Sekunde lang einen 'Shim vermisst!“
„Ich meine ja nur, weil du so viel später als die anderen zurückge–“
„Padmini?“, schallte es laut über den Hof und ich verstummte. Ich erkannte Aretos Stimme. Da ich keinen Wert darauf legte, meiner Tante über den Weg zu laufen, beschloss ich, mich lieber zu verziehen und machte einen Schritt weg von meiner Cousine. Doch Padmini hielt mich am Ärmel fest und funkelte mich aus verengten Augen an. „Kein Wort zu den anderen über dieses Gespräch – oder ich mach' dich platt.“
„Sicher. Kein Wort“, versicherte ich eilig und zerrte den Stoff aus ihren Fingern, bevor ich mich durch den Seitenausgang verkrümelte.
Der Sommer neigte sich dem Ende zu und im Folgemonat musste ich, wie viele andere junge Amazonen auch, bei der Ernte mithelfen. Unterricht fand in dieser Zeit nicht statt, denn wir mussten gleich morgens zu ernten anfangen, um das Pensum zu schaffen, bevor das Wetter umschlug.
Ein paar Tage vor dem großen Erntebeginn fand eine Versammlung statt. Als ich sah, dass Areto den Vorsitz innehatte, sank mein Mut.
Preiselbeeren, ich komme, dachte ich lakonisch und sah mich in Gedanken schon auf dem Boden herumkriechen und mir dabei meinen Rücken ruinieren.
„Die Beeren-Gruppe“, hatte mir Victoria erklärt, „hat es am schwierigsten. Für die Ernte der anderen Obst- und Gemüsesorten gibt es Maschinen, die die Arbeit erleichtern. Aber bei den Beeren muss man alles per Hand machen.“
Das war Aretos Gelegenheit, mir mal wieder ganz subtil zu vergegenwärtigen, wie sehr sie mich und meine Anwesenheit in Themiskyra ablehnte. Zu meiner Erleichterung entschied jedoch nicht meine Tante darüber, wer in welchem Bereich arbeiten musste, sondern das Los, und ich hatte das Glück, Kern- und Steinobst zu ziehen.
Es musste für die arme Corazon die schlimmste Zeit des Jahres sein: Wir standen mit dem ersten Sonnenstrahl auf, frühstückten rasch, packten Proviant ein und begaben uns zu den uns zugeteilten Feldern oder Plantagen noch ehe die Sonne zwei Handbreit über dem Horizont stand. Da das Gebiet mit den diversen Obstbäumen ein paar Kilometer entfernt lag, ritt ich dorthin.
Als ich ankam, stellte ich fest, dass ich die Erste war. Nur die solarbetriebene Erntemaschine stand zwischen einer der langen Baumreihen. Ich füllte die hölzerne Pferdetränke mittels der Handpumpe mit Wasser, dann gab ich Hekate einen wurmstichigen Apfel zu fressen, den ich vom Boden aufgehoben hatte. Zärtlich streichelte ich ihren seidigen Hals und gab ihr wahrheitsgemäß und wie üblich zu verstehen, dass sie die schönste Aspahi auf Erden sei. Da erklang das gedämpfte Geräusch von Hufen auf dem erdigen Pfad hinter mir. Ich drehte mich um und ging davon aus, die Amazone zu erblicken, die mit mir ernten würde.
Mein Herz setzte einen klitzekleinen Schlag aus, als ich jedoch erkannte, dass er es war.
Kapitel 14
Louis musste mich im selben Moment erkannt
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