Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
entwischen lassen. Ich hatte keine Ahnung, wie er mich überhaupt gefunden hatte und nach seiner Reaktion war mir klar, dass es unsinnig war, Hoffnung zu schöpfen – aber ich durfte die Chance nicht verpassen, ihm zumindest alles zu erklären.
Will sah mich beschwörend an. „Nein, warte, ich muss dir was sagen … Es ist wichtig.“
„Ich kann nicht warten.“ Energisch riss ich mich los und eilte die Treppe hinab.
Will rief mir nach, aber ich ignorierte ihn. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, verzichtete ich auf einen Sattel, schwang mich einfach auf Hekates Rücken und preschte die Straße entlang. Louis war nirgendwo zu sehen, aber ich folgte dem Geräusch von Hufen, die sich schnell in Richtung Westen entfernten. Ich war mir nicht sicher, ob wirklich er es war, dem ich nachritt, bis ich soweit aufgeholt hatte, dass ich seine Gestalt im Mondlicht erkannte.
Er ist es, stellte mein Herz fest.
Vorbei an verlassenen Bürogebäuden, leeren Fabrikhallen, einem brandgeschatzten Autohaus und einer verschmorten Tankstelle, doch die Distanz zwischen Louis und mir wurde nicht geringer. Er schien es genauso eilig zu haben, von mir wegzukommen, wie ich, ihn zu erreichen. Louis, Louis, Louis, dachte ich bei jedem Atemstoß, rief es auch laut, aber auffrischender Wind riss mir die Worte von den Lippen und trug sie in die falsche Richtung davon.
Louis überquerte den Parkplatz eines ehemaligen Möbelhauses und ich war mir sicher, dass ich ihn hier einholen konnte, doch wie ich nutzte er die übersichtliche, freie Fläche, um schneller zu reiten. Wir hatten das Ende des ehemaligen Industriegebietes fast erreicht, da bog er ab … und verschwand. Das merkte ich allerdings erst, als ich am Ende der Straße auf ein stacheldrahtgekröntes, gut drei Meter hohes Gitter stieß. Sackgasse. Dahinter Wildnis und S-Bahnschienen. Kein Louis weit und breit.
Du hast ihn verloren! klagte mein Herz.
Nein, dachte ich fassungslos. Das kann nicht wahr sein. Ich stieg ab, suchte hektisch nach einem Durchschlupf, rüttelte an den Streben des Zauns, doch sie steckten fest im Asphalt, und ich vernahm auch keinen Hufschlag mehr.
Er kann sich doch nicht in Luft aufgelöst haben. Er muss vorher abgebogen sein, sagte mein Verstand.
Da war nichts, kein Hof, keine Seitenstraße!
Dennoch ritt ich den Weg zwischen Parkplatz und Zaun noch zweimal wie gehetzt ab. Vergebens.
Wieder am Ende der Sackgasse angekommen, starrte ich mutlos zwischen den Gitterstäben hindurch in die Dunkelheit. Ein erneuter Windstoß blies mir entgegen und mit ihm kam die Erkenntnis. Kalt und grausam und dennoch wahr.
Selbst wenn ich den Weg jetzt noch fand, den er genommen hatte, hätte ich den Anschluss, die Chance schon lang verpasst. Und nicht erst heute, sondern bereits im Frühjahr vor zwei Jahren, als ich ihn alleine hatte wegreiten lassen.
Es hat ohnehin keinen Sinn. Ja, ich könnte ihn über die Erben irgendwie finden. Ja, wir könnten reden. Ja, ich könnte ihm alles erklären und vielleicht würde er mich sogar verstehen, mir in ein paar Jahren vielleicht verzeihen. Aber lieben? Daran konnte ich nicht mehr glauben – nicht nach unserer Begegnung ein paar Stunden zuvor – und ich wollte auch nicht mehr darauf hoffen. Was will er überhaupt bei Charondas' Erben? Er ist nicht mehr der, den ich gekannt habe. Ich höre jetzt auf mit dem ganzen Unsinn. Ich habe viel zu viel Unheil angerichtet, viel zu viel Zeit verschwendet. Die Frist ist hiermit verstrichen.
Ich gebe auf.
Der Gedanke klang konsequent und stark, aber mein Herz protestierte, schickte eine Welle von tiefer Verzweiflung durch mein Inneres. Mein Leben, meine ganze Existenz schien so vollkommen sinnlos zu sein, wenn ich kein Ziel mehr hatte, keine Suche, keine Hoffnung.
Hält dich denn gar nichts mehr? echote Will in meinem Kopf.
Nein , dachte ich, nichts mehr. Ich drehte mich um, um zu Hekate zurückzugehen, und erstarrte.
Ich hatte nicht gehört, dass sich die Tore der Halle auf der rechten Seite geöffnet hatten. Feuerschein drang auf die Straße, schuf harte Grenzen von Licht und Schatten in den Gesichtern der drei heruntergekommenen Männer, die mir den Weg versperrten.
Ich kannte sie. Wie hätte ich sie vergessen können? Ungerufene Bilder tauchten vor meinem geistigen Auge auf, ließen mich für einen Moment in schmerzlicher Erinnerung verharren, bevor mein Zorn aufloderte und sie verbrannte.
Doch, verbesserte ich mich in Gedanken. Eines hält mich noch. Die Rache.
„Schönes
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