Themiskyra – Die Suche (Band 3) (German Edition)
auch ich auf die anderen so.
Die nächsten zwei Stunden erlebte ich wie im Rausch. Zwar war er weder vergleichbar mit dem von Met, noch mit dem von Kalas Kuchen, aber ich bekam genauso wenig von den Geschehnissen um mich herum mit. Von der Zeremonie sind mir nur ein paar Bilder im Gedächtnis geblieben, von denen ich nicht weiß, ob sie überhaupt von diesem Nachmittag stammten oder von einer der vorherigen Sonnenfeiern – der festlich geschmückte Platz im heiligen Hain, die hellen Stoffbahnen über den Tischen, sanft bewegt im Sommerwind, das hoch aufgeschichtete Feuerholz, der üppig mit Speisen beladene, steinerne Altar, um den sich alle versammelten. Ich musste wohl an der richtigen Stelle das Richtige gesagt haben, als Atalante uns ihren Segen erteilte, aber ich erinnere mich nicht daran, was es war.
Danach wurde es furchtbar hektisch, alle drängten sich heran, um sich mit einer Umarmung, einem Hand- oder zumindest einem wertvollen Ratschlag von uns zu verabschieden. In meinen Ohren dröhnten die Stimmen durcheinander, ich war unfähig, sie auseinanderzuhalten, genau wie ihre Besitzerinnen. Unsere Pferde wurden gebracht, was das Gewusel um uns herum noch vergrößerte. Atalante gab uns jeweils einen Lederbeutel mit Proviant mit, den ich mit ungeschickten Fingern über meiner Reisetasche am Sattel festschnallte.
Pflicht, Pflicht, Pflicht, dachte ich und sah mich suchend um. Pflicht, Pflicht, Pflicht, Polly?
Als die anderen schon aufsitzen wollten, kämpften sie und Corazon sich durch die Menschenmenge, die sich nur zäh teilte.
„Pass gut auf dich auf“, sagte die Sternenwache nach einer festen Umarmung.
Ich nickte benommen.
Auch Polly schlang ihre Arme um mich. „Komm bald wieder nach Hause“, flüsterte sie.
Schon wurde ich mehr oder weniger auf meine Aspahi hinaufgeschoben. Ich sah mich gerade nochmal hilfesuchend nach Polly um, da galoppierten die Pferde der beiden anderen Yashti los – und Hekate, die wohl merkte, dass von mir keine Instruktionen zu erwarten waren, und den Anschluss nicht verpassen wollte, raste hinterher. Ehe ich recht wusste, wie mir geschah, schloss sich der Wald um uns und trennte uns von unseren feiernden Schwestern und der Heimat.
Drei Stunden lang ritten wir durch dichtes, zwei weitere durch immer lichteres Gehölz. Nach einer Weile war auch Victoria verstummt, nur der gedämpfte Hufschlag und das Schnauben unserer Pferde durchdrang die Stille des Walds und hin und wieder die fast gespenstisch widerhallenden Rufe von Eichelhähern und Fasanen. Ich fühlte mich immer noch wie benebelt, starrte nur auf Irina, die direkt vor mir ritt und unsere kleine Karawane anführte.
Du könntest noch umkehren, sagte mein Verstand.
Doch er log. Die alte Ell, wie Polly sie nannte, hätte es wohl getan. Noch wahrscheinlicher wäre sie erst gar nicht in diese Situation geraten. Ich konnte nicht umdrehen. Dann dachte ich an die kleine Ama. Ich wollte nicht umdrehen. Die Worte Atalantes kamen mir in den Sinn, und obwohl sie von ihr stammten, beruhigten sie mich ausnahmsweise.
Wenn es Probleme gibt, kommt ihr unverzüglich nach Hause. Ihr könnt vollen Rückhalt von Themiskyra erwarten. Was hatte ich also zu befürchten?
Nichts, bestätigte mein Verstand. Außerdem fürchten wir nichts mehr – und so einen windigen Clanmann schon gar nicht.
Die Zeit veränderte sich wieder. Sie hielt sich nicht mehr an den Plan. Viel zu schnell hatten wir den Wald durchquert und gelangten in die weite Seenlandschaft. Laubbäume und Wiesen mit hohem, blühendem Gras säumten die vielen kleinen und großen Weiher und Seen, über deren leicht bewegte Oberfläche Schwäne und Entenfamilien glitten.
Irinas Sommerhaus erreichten wir als erstes, eine Art hölzernen Bungalow mit leicht geneigtem Dach, der auf etwa eineinhalb Meter hohen Pfählen stand. Eine überdachte Veranda verlief rund um das Haus und war mit einer Sitzgruppe aus eisernen Gartenmöbeln und einer Hollywoodschaukel möbliert. Die Hauswände waren in einem zarten Hellgelb gestrichen, die Rahmen der großen Bogenfenster, die Fensterläden und das Geländer in Weiß. Vom Seeufer zur Eingangstreppe führte ein Weg aus unregelmäßigen Steinplatten, deren Zwischenräume erst kürzlich vom Gras befreit worden waren. Überhaupt wirkte alles sehr sauber und ordentlich; ich wusste, dass zwei Tage zuvor eine Gruppe von Amazonen hierher geritten war, um die Vorräte aufzustocken, und offenbar auch, um nochmal durchzuputzen.
„Na dann …“,
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