Themsen, V: Elfenzeit 17: Korsar der Sieben Stürme
Schiff war in den Farben Schwarz und Rot gehalten, genau wie sein Kapitän.
Überhaupt fand der Pixie, er habe noch nie einen besser gekleideten Schurken als Arun getroffen. Der Waffenrock des Piraten erstrahlte in samtenem Erdbeerrot. Gürtel und Lederriemen, den er als Halterung für den Degen quer über seine Brust geschnallt hatte, wirkten wie in Pech getaucht. Seine kniehohen Stiefel waren schwarz wie die Nacht und glänzten heller als der Morgenstern. Allein das Rüschenhemd mit seinem weiten Ausschnitt und den Fransen am Saum bildete eine elfenbeinweiße Ausnahme. Pirx war fast ein wenig stolz, dass er eine rote Mütze trug und seine Nasenspitze schwarz war. Während der Pirat mit hinter dem Rücken verschränkten Armen über das Deck ging und seiner Mannschaft Befehle zurief, stolzierte der Pixie in ebensolcher Manier hinter ihm her.
»Wirst du wohl aufhören, mich nachzuäffen, du kleiner Quälgeist!«, rief Arun, sobald er den kleinen Kobold bemerkte. »Da, nimm dir ein Beispiel an deinem haarigen Kameraden. Der sitzt schön brav in der Ecke und gibt keinen Mucks von sich, wie es sich für eine Landratte gehört.«
Aber Pirx war ganz und gar nicht nach Stillsitzen zumute. Seine Abneigung gegen die Seefahrt hatte er völlig vergessen. Er kicherte, sprang um den Kapitän herum und wich seinen Stiefelspitzen aus, als der nach ihm zu treten versuchte. Schließlich gab Arun einen entnervten Seufzer von sich und stapfte hinab in die Kombüse, wo er nach einer Kelle griff, sie in das Wasserfass tunkte und sich einen ordentlichen Schluck gönnte.
»Du bist ja schlimmer als ein Dutzend Lemuren zusammen«, sagte er dann und wischte sich über das tropfende Kinn.
Dabei war Pirx noch gar nicht in Bestform. Unter dem Protest des Kochs krabbelte er durch die Regale und lugte in die Töpfe und Pfannen, die sich um die Kochstelle stapelten. Zu seiner Enttäuschung fand er weder Schokolade noch sonst eine Leckerei. Ein Sack Bohnen, den der Smutje wie einen wertvollen Schatz umklammert hielt, war das einzig Essbare in Sicht. »Wie sollen wir denn davon alle satt werden?«, fragte der Pixie mit piepsiger Stimme und blickte zu Arun auf.
»Keine Sorge, du Nervensäge. Wir machen einfach auf dem Weg einen Zwischenstopp, um Proviant aufzunehmen. Ich konnte ja schließlich nicht ahnen, dass ich mit unserer
Jolly
gleich wieder auslaufen muss.«
Pirx rutschte einen Töpfeberg hinunter, dass es nur so schepperte. »Wer ist Jolly?«, fragte er.
»Na, mein Schiff! Die
Jolly Joker!
« Mit stolz geschwellter Brust warf Arun die Kelle zurück in das Fass. »Sie ist etwas ganz Besonderes. Einzigartig! Extra nach meinen Vorgaben gebaut, pflügt sie nicht wie andere Schiffe schwerfällig durch die Wellen. Nein! Bläht der Wind erst mal die Segel, dann gleitet meine
Jolly
wie eine Tänzerin in Spitzenschuhen über das Wasser. So schnell und wendig, dass man denken könnte, sie fliege.«
»Also ist das Schiff schnell, ja?«, hakte Pirx nach, während er auf einen Stapel Teller kletterte.
»Das schnellste im großen weiten Ozean!«, bestätigte der Piratenkapitän. »Aber nur ich weiß es zu steuern und seine Segel so zu füllen. Nicht umsonst nennt man mich den Korsaren der Sieben Stürme!«
Bei dem letzten Satz zog der Pixie mit gequältem Gesichtsausdruck den Kopf ein. »Geht es denn nicht vielleicht auch ohne die Stürme?«, fragte er deutlich gedrückter. »Grog ist kein Freund von Getöse und Schaukelei.«
»Tut mir leid, mein kleiner Stachelkumpel. Wenn wir die Prinzessin rechtzeitig erreichen wollen, wird’s nicht ohne gehen.«
Pirx und Grog sollten schnell lernen, dass Arun das nicht in übertragenem Sinne gemeint hatte. Kurz nach dem Gespräch mit dem Pixie ließ Arun seine Mannschaft die Segel hissen. Dann klappte der Piratenkapitän eine große Kiste auf, die vor dem mannshohen Steuerrad mit schweren Eisennieten in den Holzbohlen verankert war. Die Truhe war mit einem Brett ausgekleidet, in das jemand sieben Löcher gestanzt hatte. Sieben flaschengroße Glasbehälter steckten darin und waren mit sieben dicken Korkstopfen verschlossen, die mit einem Eisenbügel gehalten wurden. Und in ebendiesen Flaschen tobte und wirbelte, stürmte und blies, wogte und wehte es, dass der Grogoch sich schon bei dem Anblick gequält den Bauch halten musste.
Arun steckte sich einen Finger in den Mund, hielt ihn danach prüfend in die Höhe und ließ seine Hand über die einzelnen Gefäße gleiten. Schließlich griff er nach einer der
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