Theo Boone - Der Überfall: Band 4 (Heyne fliegt) (German Edition)
langweilig. Für ihn war das nichts. Theo hatte fest vor, große Prozesse zu führen, die von einem Geschworenengericht entschieden wurden, mit vielen Zuschauern und dramatischen Entwicklungen.
Seine erste Verhandlung hatte er vor drei Jahren miterlebt, als er erst zehn war. Das war in den Sommerferien gewesen, und er hatte vier Tage lang in der ersten Reihe gesessen und die Zeugenaussagen Wort für Wort verfolgt. Ein junges Paar und der fünfjährige Sohn waren bei einem schrecklichen Zusammenstoß mit einem Zug an einem Bahnübergang ums Leben gekommen. Die Emotionen schlugen hoch, und selbst Theo spürte den Druck. Die Vertreter von Verteidigung und Anklage rangen miteinander wie Gladiatoren, und Theos Freund Richter Henry Gantry führte mit großer Weisheit den Vorsitz.
Von jenem Augenblick an wusste Theodore, dass er für den Gerichtssaal bestimmt war. Manchmal dachte er daran, ein weiser Richter wie Henry Gantry zu werden, aber meistens träumte er davon, ein furchtloser Prozessanwalt zu werden.
Elsa notierte alles, auch Mandantengespräche, in dem großen Terminkalender mitten auf ihrem Schreibtisch. Der Kalender war in keiner Weise geheim oder vertraulich, schließlich lag er für alle Welt sichtbar auf dem Tisch. Also sah Theo hin. Er stellte fest, dass er morgen, am Mittwoch, um sechzehn Uhr einen Termin beim Kieferorthopäden hatte. Seine Mutter führte offenbar gerade ein Mandantengespräch mit einem gewissen M. Clyburn.
Und sein Vater hatte eine Besprechung mit einem Mandanten namens Joe Ford. Theo stutzte einen Augenblick, dann fiel ihm sein Gespräch mit Ike vom Vortag ein. Joe Ford. Alias » Fast Ford«. Ein Bauträger, Ike zufolge ein Geier, der nur darauf wartete, sich auf das Land an der Sweeney Road zu stürzen, wenn die Umgehungsstraße genehmigt wurde. Ein mit allen Wassern gewaschener Typ, den Ike als Gangster bezeichnet hatte. Theo versuchte, sich zu erinnern, was Ike noch gesagt hatte. Es ging um achtzig Hektar, einen geheimen Kuhhandel, der vertuscht werden sollte, oder so. Ike hatte nichts davon gesagt, dass das Geschäft in irgendeiner Weise illegal war, aber lupenrein war es bestimmt nicht.
Theo starrte ein paar Sekunden lang auf den Namen. Es passte alles ins Bild. Joe Ford machte Immobiliengeschäfte. Woods Boones Mandanten kamen aus der Immobilienbranche. Aber wie kam Theos Vater dazu, einen Mann von zweifelhaftem Ruf zu vertreten?
Oben waren Stimmen zu hören, dann kamen schwere Schritte die Treppe herunter. Für einen Augenblick stand Theo wie erstarrt, während er überlegte, wie er unauffällig verschwinden konnte. Er konnte den Vordereingang nehmen, aber das machte Lärm. Besser er verzog sich ins Besprechungszimmer oder flitzte zu seinem Büro hinten im Gang. Als er loslaufen wollte, stieß er Elsas Papierkorb um, und zerknüllte Papiere kippten auf den Fußboden. Eilig bückte er sich und sammelte sie wieder ein. Während er noch damit beschäftigt war, die Unordnung zu beseitigen, tauchten plötzlich sein Vater und ein anderer Mann auf.
» Hallo, Theo«, sagte Mr. Boone . » Was machst du denn hier?«
» Äh, Judge hat den Papierkorb umgeworfen, und ich räume gerade alles wieder ein.«
» Macht nichts, dann kannst du gleich Mr. Joe Ford begrüßen, einen unserer Mandanten.«
Mr. Ford nahm die Hände nicht aus den Taschen und brachte nur die Andeutung eines Lächelns zuwege.
» Das ist mein Sohn, Theo«, sagte Mr. Boone stolz. » Er besucht die achte Klasse der Strattenburg Middleschool.«
Theo nickte höflich. » Freut mich, Sie kennenzulernen.«
» Gleichfalls«, knurrte Joe Ford, aber nur, weil ihm nichts anderes übrig blieb. Er trug einen glänzenden grauen Anzug mit Weste und ein gestärktes weißes Hemd. Sein gewelltes Haar war strohig und hing in Strähnen bis über die Ohren. Theo fand ihn auf Anhieb unsympathisch und hatte den Eindruck, dass Joe Ford auch nicht viel für ihn übrig hatte. Die kurze Begegnung hatte ihn davon überzeugt, dass sich Joe Ford für niemanden interessierte, an dem nichts zu verdienen war.
Und von Smalltalk hielt er auch nicht viel. Er verabschiedete sich und ging. Theo hatte es plötzlich sehr eilig, wieder in sein Büro zu kommen, wo er sofort auf seinem Laptop eine Datei über Mr. Joe Ford anlegte.
Dreizehn
Drei Jungen – Theo, Woody und Hardie – und ein Hund – Judge – trafen sich am Freitag direkt nach der Schule am Truman Park in der Nähe der Innenstadt. Ein Angelausflug war geplant, und die Jungen freuten sich
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