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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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selten lächelte, begann er mit einem freundlichen » Guten Morgen« und stellte sich selbst sowie die beiden jüngeren Staatsanwälte an seinem Tisch vor. Damit gelang es ihm, das Eis zu brechen.
    Dann kam er zur Sache. Er stellte das Opfer Myra Duffy vor, indem er den Geschworenen ein großes Farbporträt von ihr zeigte.
    » Sie war zum Zeitpunkt ihrer Ermordung erst sechsundvierzig«, sagte er ernst. » Mutter zweier Söhne, Will und Clark, die beide am College studieren. Würden Sie bitte aufstehen?« Er deutete auf die erste Reihe, direkt hinter dem Tisch der Staatsanwaltschaft, und die beiden jungen Männer erhoben sich verlegen und sahen die Geschworenen an.
    Theo wusste aus der Zeitung, dass ihr Vater, Mrs. Duffys erster Ehemann, bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war, als sie noch klein waren. Auch Mr. Duffy war schon einmal verheiratet gewesen.
    In der Stadt hieß es, » da draußen in Creek « hätten die meisten Leute mehrere Ehen auf dem Buckel.
    Mr. Hogan schilderte das Verbrechen. Mrs. Duffy war im Wohnzimmer des großen modernen Hauses gefunden worden, in dem sie mit Mr. Duffy lebte. Es handelte sich um einen Neubau, keine drei Jahre alt, der auf einem an den Golfplatz grenzenden Waldgrundstück stand. Wegen der Bäume war das Haus von der Straße aus kaum einsehbar, aber das galt für die meisten Häuser in Waverly Creek. Der Schutz der Privatsphäre war » da draußen« sehr wichtig.
    Als die Tote gefunden wurde, war die Haustür nicht abgeschlossen und stand einen Spalt weit offen. Die Alarmanlage war auf Stand-by-Betrieb gesetzt. Irgendwer hatte Mrs. Duffys Schmuck aus dem Schrank, eine antike Uhrensammlung, die Mr. Duffy gehörte, sowie drei Handfeuerwaffen aus einer Schublade im Fernsehraum an sich genommen. Der geschätzte Wert der Beute belief sich auf dreißigtausend Dollar.
    Die Todesursache war Strangulation. Mit Zustimmung von Richter Gantry schaltete Mr. Hogan einen Projektor ein, der ein großes Farbbild auf eine Leinwand an der den Geschworenen gegenüberliegenden Wand warf. Es zeigte Mrs. Duffy auf dem Teppichboden. Sie war gut gekleidet und wirkte völlig unversehrt, selbst ihre Füße steckten noch in hochhackigen Schuhen. Mr. Hogan erklärte, dass sie sich am Tag ihrer Ermordung, einem Donnerstag, zum Mittagessen mit ihrer Schwester verabredet hatte. Offenbar hatte sie gerade aus dem Haus gehen wollen, als sie angegriffen und getötet wurde. Danach durchsuchte der Mörder das Haus, nahm die fehlenden Gegenstände an sich und verschwand. Die Schwester versuchte in den nächsten beiden Stunden immer wieder vergeblich, Mrs. Duffy auf ihrem Handy zu erreichen, und war schließlich so beunruhigt, dass sie nach Waverly Creek fuhr, wo sie ihre Schwester fand. Für einen Tatort wirkte alles sehr friedlich. Das Opfer hätte auch bewusstlos sein können. Zunächst tippten Schwester und Polizei auf einen Herz- oder Schlaganfall oder eine andere natürliche Ursache. In Anbetracht von Mrs. Duffys Alter und ihrer guten Gesundheit wurden sie jedoch rasch misstrauisch, auch weil sie nie Drogen konsumiert hatte.
    Bei der Autopsie stellte sich die tatsächliche Todesursache heraus. Der Mörder hatte Mrs. Duffy von hinten gepackt und fest auf die Halsschlagader gedrückt. Mr. Hogan legte die Finger auf seine rechte Halsschlagader.
    » Zehn Sekunden fester Druck an der richtigen Stelle, und man verliert das Bewusstsein«, erklärte er. Alle warteten gespannt, ob er mitten in der Verhandlung zusammenbrechen würde, was er aber nicht tat. » Als Mrs. Duffy das Bewusstsein verlor, drückte ihr Mörder immer fester zu. Sechzig Sekunden später war sie tot. Es gibt keine Kampfspuren– keine abgebrochenen Fingernägel, keine Kratzer, nichts. Warum? Weil Mrs. Duffy ihren Mörder kannte.«
    Mr. Hogan fuhr mit dramatischer Geste herum und funkelte Mr. Duffy an, der zwischen Clifford Nance und einem anderen Verteidiger saß.
    » Sie kannte ihn, weil sie mit ihm verheiratet war.«
    Eine lange, bedeutungsschwere Pause trat ein. Alle Augen richteten sich auf Mr. Duffy. Theo sah leider nur seinen Hinterkopf, nicht das Gesicht.
    » Er konnte sich ihr so weit nähern, weil sie ihm vertraute«, fuhr Mr. Hogan fort.
    Mr. Hogan stellte sich neben den Projektor und zeigte weitere Fotos. Damit veranschaulichte er das gesamte Szenario– das Innere des Hauses, Haustür, Hintertür, die direkte Nachbarschaft des Golfplatzes. Er zeigte eine Aufnahme der Haupteinfahrt von Waverly Creek mit den schweren Toren, dem

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