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Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Theo Boone und der unsichtbare Zeuge

Titel: Theo Boone und der unsichtbare Zeuge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ein großes Farbdiagramm, das einen menschlichen Körper von der Brust aufwärts mit Betonung des Halses zeigte. Theo achtete mehr auf Clifford Nance als auf den Zeugen. Er beobachtete, wie Mr. Nance der Aussage konzentriert lauschte, sich Notizen machte und dabei ständig zu den Geschworenen hinübersah. Ihm schien nichts im Saal zu entgehen. Er wirkte entspannt und selbstbewusst, aber immer zum Angriff bereit.
    Sein Kreuzverhör des Arztes war kurz und brachte keine neuen Erkenntnisse. Bisher schien Mr. Nance damit zufrieden zu sein, die Aussagen der Zeugen der Anklage zur Kenntnis zu nehmen. Die große Show hob er sich für später auf.
    Kurz nach 17 . 00 Uhr vertagte Richter Gantry die Verhandlung. Bevor er die Geschworenen entließ, warnte er sie erneut davor, den Fall mit irgendwem zu besprechen. Nachdem sie den Saal verlassen hatten, gingen auch die anderen. Theo blieb zurück und sah zu, wie die Juristen ihre Akten und Bücher wieder in dicken Aktentaschen verstauten, wobei sie sich in gedämpftem Ton unterhielten. Über den Gang hinweg wurden ein paar Worte gewechselt. Jack Hogan sagte etwas zu Clifford Nance, und beide Männer lachten. Ihre Untergebenen stimmten ein. » Sollen wir noch was trinken gehen?«, fragte irgendjemand.
    Eben noch Feinde, jetzt Kumpel. Theo kannte das von früher. Seine Mutter hatte versucht, ihm zu erklären, dass Staatsanwälte und Verteidiger dafür bezahlt wurden, gute Arbeit zu leisten. Dazu mussten sie ihre persönlichen Gefühle sozusagen an der Garderobe abgeben. Echte Profis verlieren nie die Beherrschung und sind nicht nachtragend, hatte sie gesagt.
    Ike fand, das sei Blödsinn. Er sah auf die meisten Juristen der Stadt herab.
    Omar Cheepe lachte nicht und wurde auch nicht auf einen Drink mit der Gegenseite eingeladen. Er und Pete Duffy verschwanden eilig durch eine Seitentür.

Sieben
    Dienstagabend aßen sie immer in einer Suppenküche. Es war nicht das schlechteste Essen der Woche. Das gab es am Sonntagabend, wenn seine Mutter versuchte, ein Brathähnchen zuzubereiten. Aber besonders gut war es auch nicht.
    Die Suppenküche hieß nur so. Der Raum war keine richtige Küche, und es gab auch nur selten Suppe. Es handelte sich um einen großen Speisesaal im Keller einer umgebauten Kirche, in dem Obdachlose ein Essen und ein Bett für die Nacht bekamen. Die Mahlzeiten wurden von Freiwilligen zubereitet und bestanden meistens aus belegten Broten, Pommes frites, Obst und Keksen.
    » Tütenessen«, nannte Theos Mutter das. Nicht gerade gesund.
    Theo hatte gehört, dass es in Strattenburg um die dreihundert Obdachlose gab. Er sah sie auf der Main Street, wo sie um Geld bettelten und auf den Bänken schliefen. Er sah sie Mülltonnen nach Essen durchwühlen. Die Stadt war beunruhigt, weil es so viele waren und die Unterkünfte nicht ausreichten. Der Stadtrat schien jede Woche über das Thema zu streiten.
    Mrs. Boone war auch beunruhigt. Das Schicksal obdachloser Mütter beschäftigte sie so sehr, dass sie ein Programm für die Opfer häuslicher Gewalt ins Leben gerufen hatte. Für Frauen, die geschlagen und bedroht wurden. Frauen, die keine Wohnung hatten, die niemanden hatten, an den sie sich wenden konnten. Frauen mit Kindern, die Hilfe brauchten und nicht wussten, wo sie sie finden konnten. Mrs. Boone hatte gemeinsam mit ein paar anderen Anwältinnen eine kleine Anwaltskanzlei gegründet, die diesen Frauen weiterhalf.
    Und so ging Familie Boone jeden Dienstagabend von ihrem Büro in der Innenstadt ein paar hundert Meter zur Obdachlosenunterkunft in der Highland Street, wo sie drei Stunden mit vom Schicksal weniger begünstigten Mitmenschen verbrachte. Abwechselnd servierten sie den etwa Hundert dort Versammelten das Abendessen, bevor sie sich selbst einen schnellen Imbiss gönnten.
    Obwohl das eigentlich nicht für seine Ohren bestimmt war, hatte Theo seine Eltern darüber sprechen hören, ob sie ihre monatliche Spende an die Obdachlosenunterkunft von zweihundert auf dreihundert Dollar erhöhen sollten. Seine Eltern waren keineswegs wohlhabend. Seine Freunde hielten ihn für reich, weil seine Eltern beide Anwälte waren, aber so viel verdienten sie gar nicht. Sie lebten bescheiden, sparten für Theos Ausbildung und waren froh, wenn sie Bedürftigen helfen konnten.
    Nach dem Abendessen richtete Mr. Boone am hinteren Ende des Speisesaals eine improvisierte Kanzlei ein, die von einigen Obdachlosen aufgesucht wurde. Er half ihnen bei ihren Problemen, die meistens darin bestanden,

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