Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
Detail.«
» Dafür kamen sie mir aber ziemlich lang vor«, meinte Theo.
» Wer ist der erste Zeuge?«, wollte Chase wissen.
» Ich habe die Zeugenliste nicht gesehen«, erwiderte Mr. Mount, » aber normalerweise fangen sie mit dem Tatort an. Wahrscheinlich ist es einer der Ermittler.«
» Cool.«
» Bis wann können wir heute bleiben, Mr. Mount?«
» Um halb vier müssen wir wieder in der Schule sein.«
» Wie lange dauert die Verhandlung?«
» Richter Gantry arbeitet normalerweise lange«, warf Theo ein. » Mindestens bis fünf.«
» Können wir morgen wieder ins Gericht gehen, Mr. Mount?«
» Leider nicht. Die Exkursion ist nur für einen Tag genehmigt. Ihr habt nämlich noch andere Fächer. Keins davon ist so spannend wie meins, aber das ist nur meine ganz persönliche Meinung.«
Der Imbiss war plötzlich rappelvoll, die Schlange reichte bis auf die Straße. Mr. Mount drängte die Schüler aufzuessen. Pappy, der Inhaber, war dafür bekannt, dass er ruppig wurde, wenn Leute Tische zu lange besetzt hielten.
Sie schlenderten durch die Main Street, die nun sehr belebt war: Überall waren Angestellte unterwegs, die ihre Mittagspause nutzen wollten. An einem Brunnen saß eine ganze Gruppe, die sich unterhielt und die Sonne genoss, während sie ihr Mittagessen verzehrte. Mr. Peacock, der uralte Verkehrspolizist, dirigierte mit seiner abgenutzten Trillerpfeife und gelben Handschuhen den Verkehr. Dabei gelang es ihm, Unfälle zu vermeiden, was er selbst allerdings nicht immer schaffte. Direkt vor ihnen kam eine Gruppe Männer in dunklen Anzügen aus einem Gebäude und schlug dieselbe Richtung ein wie die Schüler.
» Seht mal, Männer«, flüsterte Mr. Mount laut, » da ist Mr. Duffy mit seinen Anwälten.«
Die Jungen verlangsamten für einen Augenblick das Tempo, als sich die Gruppe Anzugträger vor ihnen in den Fußgängerstrom einreihte: Pete Duffy, Clifford Nance, zwei andere Anwälte mit ernsten Mienen und ein fünfter Mann, den Theo am Morgen nicht im Gericht gesehen hatte, dessen Name ihm aber durchaus geläufig war. Er hieß Omar Cheepe und war kein Anwalt, obwohl er in Juristenkreisen wohlbekannt war. Mr. Cheepe war ein ehemaliger FBI -Agent oder so etwas Ähnliches, der sich selbstständig gemacht hatte. Er hatte sich auf Ermittlungen, Überwachungen und andere Tätigkeiten spezialisiert, die Anwälte von Zeit zu Zeit in Anspruch nehmen mussten.
Einmal war es zwischen ihm und Mrs. Boone in einer Scheidungssache zu einem hässlichen Streit gekommen, und Omar Cheepe war als » bewaffneter Gangster« und » unverbesserlicher Rechtsbrecher« bezeichnet worden. Diese Kommentare waren natürlich nicht für Theos Ohren bestimmt gewesen, aber der hörte viel von dem, was in der Kanzlei vor sich ging. Er war Mr. Cheepe nie persönlich begegnet, hatte ihn jedoch im Gericht gesehen. Böse Zungen behaupteten, dass jemand, der Omar Cheepe beschäftigte, grundsätzlich schuldig war.
Cheepe sah Theo direkt an. Er war breit und kräftig gebaut, den großen runden Schädel trug er kahlrasiert. Omar Cheepe wollte bedrohlich aussehen, und das gelang ihm. Dann wandte er sich ab und eilte Duffy nach.
Die Jungen, die in einer lockeren Gruppe gingen, mussten sich beeilen, um auf dem Weg durch die Main Street mit dem Angeklagten und seinem Team Schritt halten zu können. Omar Cheepes breiter Rücken deckte Pete Duffy von hinten, als hätte er Angst, dass jemand auf ihn schoss. Clifford Nance gab eine witzige Anekdote zum Besten, und die Männer lachten herzlich.
Am lautesten lachte Pete Duffy. Schuldig. Theo verstand selbst nicht, warum er sich da so sicher war, obwohl noch kein einziger Zeuge ausgesagt hatte. Dabei war er eigentlich vom Prinzip der Unschuldsvermutung überzeugt.
Schuldig, wiederholte Theo in Gedanken. Warum konnte er sich nicht an das Gesetz halten und im Zweifel für den Angeklagten sein, wie es sich für einen guten Juristen gehörte? Frustriert trottete er hinter Duffy und seinen Anwälten her.
Irgendwas stimmte mit diesem Fall nicht. Wenn er von dem ausging, was bisher in der Verhandlung gesagt worden war, musste er sich wohl darauf einstellen, dass das Rätsel vielleicht nie gelöst wurde.
Sie nahmen ihre Plätze in der vordersten Reihe rechts auf der Galerie wieder ein und warteten, dass sich das Mittagessen setzte. Richter Gantry hatte die Mittagspause bis 13.00 Uhr angesetzt, bis dahin fehlten noch fünfzehn Minuten.
Mr. Gossett, der alte Gerichtsdiener, kam angewatschelt. » Theo.«
»
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