Theo Boone und der unsichtbare Zeuge
haben.
Armer Julio.
» Nein, das funktioniert nicht, Julio. Die Polizei würde zu viele Fragen stellen, und dann gerät dein Cousin vielleicht in Schwierigkeiten. Am besten nimmst du die Handschuhe wieder mit, und ich tue so, als hätte ich sie nie gesehen.«
» Kommt nicht infrage, Theo. Die gehören jetzt dir.« Damit sprang Julio auf und griff nach der Türklinke. » Und du hast versprochen, nichts zu erzählen«, sagte er über die Schulter, als er schon mit einem Fuß zur Tür hinaus war.
Theo stand ebenfalls auf. » Ehrensache.«
» Du hast mir dein Wort gegeben.«
» Ich weiß.«
Julio verschwand in der Dunkelheit.
Vierzehn
Judge schlang seinen Napf Spaghetti runter, aber Theo rührte seine Portion kaum an. Er stellte das Geschirr in die Maschine, schloss die Haustür ab und ging in sein Zimmer, wo er seinen Pyjama anzog, sich seinen Laptop griff und sich damit ins Bett verkroch. April war online, und sie chatteten ein paar Minuten. Sie war auch im Bett, und ihre Zimmertür war abgesperrt wie immer. Es ging ihr deutlich besser. Sie war mit ihrer Mutter Pizza essen gegangen, und die beiden hatten sogar gemeinsam lachen können. Ihr Vater war offenbar verreist, das machte die Dinge immer einfacher. Nachdem sie gute Nacht gesagt hatten, klappte Theo seinen Laptop zu und griff zur letzten Ausgabe von Sports Illustrated. Doch er konnte nicht lesen, weil ihm die Konzentration dafür fehlte. Da er schon in der letzten Nacht wenig geschlafen hatte, war er müde, und so döste er trotz aller Sorgen und Ängste bald ein.
Mr. Boone kam zuerst nach Hause. Er schlich die Treppe hinauf und öffnete die Tür zu Theos Zimmer. Die Angeln quietschten wie immer. Er schaltete das Licht ein und lächelte, als er seinen Sohn fest und friedlich schlafen sah. » Gute Nacht, Theo«, flüsterte er und schaltete das Licht aus.
Theo wachte auf, als sein Vater die Tür wieder schloss. Binnen Sekunden lag er auf dem Rücken und starrte an die dunkle Decke. Die tödliche Gefahr ging ihm nicht aus dem Kopf, die er in Gestalt der Golfhandschuhe in seinem Büro versteckt hatte. Ikes Rat schien ihm völlig verkehrt. Wie sollte er sich raushalten, die Existenz eines Augenzeugen ignorieren und untätig zusehen, wie das Rechtssystem aus den Fugen geriet?
Aber versprochen war versprochen, und Theo hatte Julio und seinem Cousin sein Wort gegeben, dass er ihr Geheimnis nicht verraten würde. Und wenn er es doch tat? Was, wenn er gleich morgen früh in Richter Gantrys Richterzimmer spazierte, die Handschuhe auf den Schreibtisch warf und alles erzählte? Dann war der Cousin geliefert. Jack Hogan und die Polizei würden ihn aufspüren und in Gewahrsam nehmen. Seine Aussage würde die Anklage retten. Das Verfahren würde für fehlerhaft erklärt werden. Eine neue Verhandlung würde angesetzt werden. Zeitungen und Fernsehen würden darüber berichten. Der Cousin würde als Held dastehen, aber als illegaler Einwanderer ins Gefängnis wandern.
Aber könnte sich der Cousin nicht mit Polizei und Staatsanwaltschaft auf einen Handel einigen? Würden sie nicht ein Auge zudrücken, weil sie ihn brauchten? Theo hatte keine Ahnung. Vielleicht ja, vielleicht aber auch nicht. Das Risiko war zu groß.
Dann dachte er an Mrs. Duffy. In seiner Akte hatte er einen Zeitungsausschnitt mit einem hübschen Foto von ihr. Sie war eine schöne Frau gewesen, blond mit dunklen Augen und perfekten Zähnen. Wie furchtbar mussten ihre letzten Sekunden gewesen sein, als sie entsetzt feststellen musste, dass ihr Ehemann– mit beiden Golfhandschuhen an den Händen– nicht aus irgendeinem harmlosen Grund zu Hause vorbeigekommen war, sondern weil er ihr an die Gurgel wollte.
Theos Herz raste wieder. Er warf die Decke zurück und setzte sich auf die Bettkante. Mrs. Duffy war nur zwei Jahre jünger als seine Mutter. Wie hätte er sich gefühlt, wenn jemand seine Mom auf solch bestialische Weise attackiert hätte?
Wenn die Geschworenen Mr. Duffy für nicht schuldig befanden, kam er mit einem Mord davon. Für dieses Verbrechen konnte er nie wieder vor Gericht gestellt werden. Theo wusste alles darüber: Wenn jemand von den Geschworenen freigesprochen wurde, war eine Strafverfolgung wegen derselben Tat ausgeschlossen. Da es keine weiteren Verdächtigen gab, würde der Fall nie aufgeklärt werden.
Mr. Duffy würde seine Million kassieren. Weiter Golf spielen. Vermutlich eine andere hübsche junge Frau heiraten.
Theo kroch zurück unter die Decke und versuchte, die Augen zu
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