Theodor: The Theodor Story (Die Wiedergeburt) (German Edition)
wir lernten uns im März 1945 kennen. Der unsinnige Krieg hatte sehr viel Unheil zurückgelassen. Dein Vater verhalf mir damals zur Flucht. Daraus entstand eine sehr innige Beziehung, die durch deine Mutter aufrechterhalten wurde. Mein Bruder und ich hatten ihr geholfen, die Fluglinie aufzubauen. Wusstest du da nichts davon?“
„Nicht sehr viel“, erwiderte Chrissie nachdenklich. „Dad hat sich um alles gekümmert und Mom war die meiste Zeit bei der Arbeit. Nun denke ich nur an die Zukunft und versuche, die Vergangenheit so zu akzeptieren, wie sie ist.“
„Genau das bewundere ich an dir“, erwiderte Thomas aufrichtig. „Ich verspüre keinen Schmerz und keine Trauer in dir.“ Einen Moment lang stockte er. „Das Kind“, setzte er hinzu, „die Vergewaltigung – wer war dieses Scheusal? Darf ich das erfahren?“
„Du bist sehr direkt“, erwiderte Chrissie lächelnd. „Warum möchtest du das wissen?“
Thomas schwieg eine Zeit lang. Klara war der Unterhaltung aufmerksam gefolgt. Dass sich ihr Vater so sehr für Details aus Chrissies Leben interessierte, war ihr fast schon peinlich und sie bewunderte Chrissie, wie couragiert sie sich in diesem Gespräch verhielt.
„Mathilde“, sagte Thomas nach einiger Zeit. „Du magst vielleicht den Eindruck bekommen haben, dass sie etwas kühl zu dir ist. Der Tod meines Bruders hat sie sehr mitgenommen. Deine Mutter und Mathilde waren sehr enge Freundinnen und wir wollten lange schon zu euch kommen. Doch Klaras Krankheit und der Pferdehof haben die Zeit nicht hergegeben. Du erinnerst Mathilde sehr stark an Beatrice. Nur, dass du um noch vieles hübscher bist als sie.“
„Oh, danke für das Kompliment“, erwiderte Chrissie. „Das, was du da sagst, ist sehr interessant. Ich wusste wirklich nichts davon und mein Dad hatte mir auch nichts von der Freundschaft erzählt.“
„Die Freundschaft zwischen Mathilde und deiner Mutter war etwas sehr außergewöhnliches. Mathilde war oft am Flughafen, um sich dort mit deiner Mutter zu treffen. Du musst wissen, Mathilde ist sehr intuitiv. Sie hat so etwas wie einen siebten Sinn und ein sehr sensibles Gespür.“
„Kennst du einen Henry Kowalski?“, fragte Chrissie darauf. Das Zucken in seinen Augen entging Chrissie dabei nicht.
„Henry Kowalski“, sprach er mehr zu sich, „nein, noch nie gehört. Ist er vielleicht das – Scheusal?“
„Der Vergewaltiger?“, Chrissie schüttelte ihren Kopf. Sie spürte, dass er nicht die Wahrheit sagte, denn immerhin war er ja mit auf der Fotografie zu sehen. „Henry Kowalski muss ein Bekannter meiner Eltern gewesen sein. Ich dachte, dass du ihn vielleicht auch kennst.“
„Vielleicht kennt Mathilde ihn“, murmelte Thomas mehr zu sich. „Weißt du“, sagte er darauf, „wenn dich nichts mehr nach Melbourn zieht kannst du sehr gerne solange hier bleiben, wie du möchtest.“
Als Thomas das sagte, flog über Klaras Gesicht ein Freudenstrahl. „Ist das dein Ernst, Papa?“, rief sie aus und erfasste seine Hand.
„Ich habe mit Mathilde darüber gesprochen und sie ist sogar damit einverstanden, wenn du das Kind hier auf die Welt bringst“, fügte er noch hinzu.
„Wirklich?“, konnte Klara sich nicht zurückhalten.
„Nur möchten wir mehr von der Vergewaltigung erfahren“, sagte Thomas mit sehr ernster Miene. „Uns beiden geht es darum, dass nicht eines Tages unliebsamer Besuch vor der Haustüre steht.“
„Ist das der einzige Grund?“, fragte Chrissie schnell, wobei sich ihre Stirn in Falten legte. Sie bekam den Eindruck nicht los, dass Thomas mehr wusste, als er momentan zugeben wollte. Doch um das zu hinterfragen, dafür war der Zeitpunkt zu früh.
„Momentan ja“, antwortete Thomas, wandte sich zu Klaus und sagte: „Fahren wir langsam wieder zurück, Klaus.“
Klaus, der Mann für alle Fälle, stoppte das Gespann und begann zu wenden.
„Aber es ist keine Voraussetzung für das Angebot?“ Chrissie beobachtete den Kutscher, wie er sorgsam und feinfühlig die beiden Pferde mit der Rute dirigierte und das Gespann langsam um 180 Grad drehte.
„Du willst nicht darüber reden?“ Thomas lächelte. „Hattest du ein Verhältnis mit ihm?“
Für einen Moment verfinsterte sich ihr Gesicht. „Es wird der Tag kommen, Thomas, da werde ich dir eine Geschichte erzählen, die du für nicht wahr halten wirst. Zu diesem Zeitpunkt aber möchte ich nur so viel sagen, dass der Mensch, der mich vergewaltigt hatte, im Auftrag handelte und sein Leben dafür lassen musste.
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