Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
alle Erziehung, selbst Weiber, wie Hagar, die Magd Abraham's, die prophetische Gabe. Dies stimmt mit der Erfahrung und Vernunft auch überein; denn wo die Einbildungskraft am mächtigsten ist, da fehlt es an der Fähigkeit zur reinen Erkenntniss, und wo der Verstand überwiegt und ausgebildet ist, da ist die Einbildungskraft gemässigt, unterwürfig und gezügelt, so dass sie den Verstand nicht verwirrt. Wenn also Jemand Weisheit und die Erkenntniss der natürlichen und geistigen Dinge aus den Büchern der Propheten erlangen will, so ist er auf dem ganz falschen Wege. Da die Zeit, die Philosophie und die Sache selbst es erfordert, so will ich dies hier ausführlich darlegen, und ich werde mich nicht darum kümmern, dass der Aberglaube sein Geschrei erhebt, der gerade Die am meisten hasst, welche die Wahrheit in der Wissenschaft und im Leben suchen. Fürwahr, wie schmerzlich! schon ist es so weit gekommen, dass Die, welche offen gestehen, von Gott keine Vorstellung zu haben und Gott nur durch die erschaffenen Dinge zu kennen, deren Ursachen sie nicht kennen, doch nicht sich scheuen, die Philosophen des Atheismus anzuklagen.
Um den Gegenstand ordnungsmässig zu behandeln, werde ich zeigen, dass die Weissagung nicht blos nach der Einbildungskraft und dem Temperament der Propheten, sondern auch nach den Meinungen, von denen sie befangen waren, gewechselt hat. Die Weissagung hat deshalb die Propheten niemals gelehrter gemacht, wie ich gleich ausführlicher zeigen werde. Vorher will ich jedoch von der den Propheten innewohnenden Ueberzeugung sprechen, da es theils zu diesem Kapitel gehört, theils zu dem beiträgt, was ich beweisen will.
Da die menschliche Einbildungskraft ihrer Natur nach keine Gewissheit für die Wahrheit ihrer Bilder giebt, wie sie bei jeder klaren und deutlichen Vorstellung Statt hat, vielmehr jener Kraft, wenn man ihren Bildern Glauben schenken soll, noch die vernünftige Ueberlegung hinzutreten muss, so folgt, dass die Weissagung an sich keine Gewissheit von ihrer Wahrheit geben kann, da sie, wie erwähnt, von der blossen Einbildungskraft ausgeht. Deshalb vertrauten auch die Propheten durch die Offenbarung selbst ihr noch nicht als einer göttlichen, sondern wurden erst durch irgend ein Zeichen sicher, wie Abraham beweist, der (Gen. XV. 8), nachdem er das Versprechen Gottes vernommen hatte, um ein Zeichen bat. Abraham glaubte wohl Gott und verlangte nicht deshalb ein Zeichen, weil er Gott nicht traute, sondern um sich zu vergewissern, dass das Versprechen von Gott komme.
Noch deutlicher ist dies bei Gideon, denn er sagt zu Gott (Richter VI. 17): »Gieb mir ein Zeichen (damit ich weiss), dass Du mit mir sprichst.« Auch zu Moses sagt Gott: »Und dies (sei) das Zeichen, was ich Dir gesandt habe.« Ezechias, welcher längst wusste, dass Esaias ein Prophet war, verlangte ein Zeichen, als er ihm seine Genesung voraussagte.
Hieraus erhellt, dass die Propheten immer ein Zeichen gehabt haben, was ihnen die Gewissheit von der Wahrheit ihrer prophetischen Bilder gewährte, und deshalb ermahnt Moses (Deut. XVIII. letzter Vers), von den Propheten ein Zeichen zu verlangen, d.h. das Eintreffen einer zukünftigen Sache. Insoweit steht die Weissagung der natürlichen Erkenntniss nach, die keines Zeichens bedarf, sondern in sich selbst die Gewissheit trägt. Denn diese prophetische Gewissheit war keine mathematische, sondern nur eine moralische. Auch aus der Bibel erhellt dies; denn Deut. XIII. sagt Moses, dass, wenn ein Prophet neue Götter verkünden wolle, er zum Tode verurtheilt werden solle, wenn er auch seine Lehre mit Zeichen und Wundem bekräftige; denn, fährt Moses fort, Gott giebt auch Zeichen und Wunder, um das Volk zu versuchen, und auch Christus ermahnte in dieser Weise seine Jünger, wie aus Matth. XXIV. 24 erhellt. Ezechiel lehrt sogar XIV. 8 geradezu, dass Gott mitunter die Menschen durch falsche Offenbarungen täuscht; er sagt: »Und wenn der Prophet (nämlich der falsche) hereingeführt worden und gesprochen habe, so habe nicht Gott diesen Propheten eingeführt.« Auch Micha (1. Könige XXII. 21) bezeugt dies von den Propheten Ahab's.
Obgleich hiernach die Weissagung und Offenbarung sich als sehr zweifelhaft ergeben, so gewährten sie doch, wie erwähnt, eine starke Ueberzeugung. Denn Gott täuscht die Frommen und Auserwählten niemals, sondern Gott gebraucht dieselben nach dem alten Sprüchwort (1. Samuel XXIV. 13) und ausweislich der Geschichte Abigail's und ihrer Rede,
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