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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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wenn er nicht auch den Grundsätzen und den aus der Bibel sich ergebenden Grundlagen klar entgegensteht. Umgekehrt müssen Sätze, deren wörtlicher Sinn den der Bibel entlehnten Grundsätzen widerspricht, selbst wenn sie mit der Vernunft gänzlich stimmen, doch anders, nämlich metaphorisch erklärt werden. Um also zu wissen, ob Moses geglaubt habe, Gott sei ein Feuer oder nicht, darf dies nicht daraus abgenommen werden, dass diese Meinung nicht mit der Vernunft stimmt oder ihr widerspricht; sondern es kann nur aus andern Aussprüchen Mosis ermittelt werden. Da nämlich Moses auch an vielen Stellen klar ausspricht, Gott habe keine Aehnlichkeit mit den sichtbaren Dingen, welche am Himmel, auf Erden und im Wasser sind, so kann man daraus folgern, jene Stelle oder alle seien als Vergleichungen zu nehmen. Da jedoch von dem Wortsinne so wenig wie möglich abzugehen ist, so muss vorher geprüft werden, ob dieser einmalige Ausspruch: »Gott ist das Feuer«, einen andern Sinn neben dem wörtlichen gestattet, d.h. ob das Wort »Feuer« noch etwas Anderes als das natürliche Feuer bedeutet. Findet sich dies nach dem Sprachgebrauch nicht, so darf diese Stelle auch nicht anders ausgelegt werden, so sehr sie auch der Vernunft widerspricht; vielmehr müssen alle übrigen, obgleich sie mit der Vernunft stimmen, dieser angepasst werden. Ist auch dies nach dem Sprachgebrauch nicht möglich, dann lassen sich diese Stellen nicht vereinigen, und deshalb kann kein Urtheil über sie gefällt werden. Allein da das Wort »Feuer« auch für Zorn und Eifersucht gebraucht wird (Hiob XXXI. 12), so lassen sich die Aussprüche Mosis leicht vereinigen, und man kann mit Recht sagen, dass beide Ausdrücke: »Gott ist ein Feuer« und »Gott ist eifersüchtig« nur dasselbe bedeuten. Ferner sagt Moses deutlich, dass Gott eifersüchtig sei, und nirgends sagt er, dass er von den Leidenschaften, d. h. den Gemüthserregungen frei sei; deshalb kann man annehmen, dass Moses selbst dieses geglaubt hat oder wenigstens hat sagen wollen, wenn man auch überzeugt ist, dass dies der Vernunft widerspreche. Denn es ist uns, wie gesagt, nicht erlaubt, dem Sinne der Schrift nach den Geboten unserer Vernunft und nach unsern vorgefassten Meinungen Gewalt anzuthun; vielmehr muss das Verständniss der Bibel lediglich aus ihr selbst entnommen werden.
     
    Drittens muss die Geschichte der Bibel Alles, was mit diesen Büchern der Propheten sich zugetragen hat, enthalten, soweit es bekannt ist; ebenso den Lebenslauf, den Charakter und die Beschäftigungen des Verfassers eines jeden Buches: wer er gewesen, bei welcher Gelegenheit, zu welcher Zeit, für wen und in welcher Sprache er geschrieben hat. Endlich muss das Schicksal eines jeden Buches mitgetheilt werden: wie es im Anfang aufgenommen worden, in Welcher Hände es gekommen, welche verschiedene Lesarten vorhanden, und auf wessen Antrieb es unter die heiligen Bücher aufgenommen worden, und endlich, wie alle diese, jetzt für heilig geltenden Bücher zu einem Buche verbunden worden sind. Dies Alles hat die Geschichte der Bibel zu enthalten. Denn wenn man entscheiden soll, welche Aussprüche als Gesetze und welche als moralische Lehren gelten sollen, so muss man den Lebenslauf, den Charakter und die Beschäftigungen des Verfassers kennen, und man wird seine Worte um so leichter auslegen können, je besser man seine Neigungen und seine Denkweise kennt. Um ferner die ewigen Lehren nicht mit den zeitlichen oder mit den nur für Wenige gegebenen zu verwechseln, muss man auch wissen, bei welcher Gelegenheit, zu welcher Zeit und für welches Volk oder Jahrhundert alle diese Lehren niedergeschrieben worden sind. Auch die Kenntniss der übrigen erwähnten Umstände ist erheblich, um neben dem Ansehn des Buches zu wissen, ob es von verfälschenden Händen hat entstellt werden können oder nicht, ob Irrthümer sich eingeschlichen, und ob sie von genügend erfahrenen und zuverlässigen Männern verbessert worden sind. Dies Alles ist zu wissen nöthig, damit man nicht im blinden Eifer Jedwedes, das uns geboten wird, annehme, sondern nur das Gewisse und Unzweifelhafte.
     
    Erst nachdem man eine solche Geschichte der Bibel erreicht hat und fest sich vorgenommen hat, Nichts als Lehre der Propheten anzunehmen, als was aus dieser Geschichte folgt oder deutlich hergeleitet werden kann, ist es Zeit, sein Augenmerk auf den Geist der Propheten und des heiligen Geistes zu lenken. Auch dazu ist eine ähnliche Weise und Ordnung nöthig, wie sie

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