Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)
(Levit. V. 1), nicht aus Rache (Levit. XIX. 17, 18), sondern um der Gerechtigkeit willen, zum Schutz der Gesetze des Vaterlandes, und damit den Bösen ihre Bosheit nicht zum Vortheil gereiche, was Alles auch mit der natürlichen Vernunft übereinstimmt.
In dieser Weise könnte ich noch mehr Beispiele beibringen; indess wird dies genügen, um meine Ansicht und den Nutzen dieser Art der Auslegung darzulegen, worauf es mir jetzt nur ankommt. Allein bisher habe ich nur die Stellen der Bibel erörtert, welche sich auf den Lebenswandel beziehen, und die deshalb leichter erklärt werden können, da über diese in Wahrheit unter den Verfassern der biblischen Bücher kein Streit bestanden hat. Dagegen kann das Uebrige, was in der Bibel die Spekulation betrifft, nicht so leicht verstanden werden; der Weg dazu ist enger. Denn die Propheten weichen in spekulativen Fragen, wie gezeigt, von einander ab, und die Erzählungen sind da den Vorurtheilen jedes Jahrhunderts sehr anbequemt worden. Deshalb kann man auf die Meinung eines Propheten aus deutlichem Stellen eines andern keinen Schluss ziehen und sie nur da zur Erläuterung benutzen, wo ganz feststeht, dass Beide genau dieselbe Ansicht gehabt haben. Ich will daher mit Wenigem darlegen, wie in solchen Fällen die Meinung des Propheten aus der Geschichte der Bibel zu gewinnen ist.
Auch hier muss mit dem Allgemeinsten begonnen werden, und man muss vor Allem aus den klarsten Stellen der Bibel ermitteln, was die Weissagung oder Offenbarung ist, und worin sie hauptsächlich besteht. Dann ist zu ermitteln, was ein Wunder ist, und so muss in dieser Weise mit den gemeinsamen Begriffen verfahren werden. Von da muss man zu den Ansichten des einzelnen Propheten übergehen und erst alsdann den Sinn der einzelnen Offenbarungen oder Weissagungen in der Erzählung und die Wunder ermitteln. Welche Vorsicht hierbei nöthig, damit man dabei die Meinung des Propheten und Geschichtschreibers nicht mit der Absicht des heiligen Geistes und mit dem wahren Sachverhalt verwechsle, habe ich früher an mehreren Beispielen gezeigt; ich brauche es deshalb hier nicht weitläufiger darzulegen. Indess halte man für die Erklärung der Offenbarungen fest, dass dieses Verfahren nur zu dem führt, was die Propheten wirklich gesehen und gehört haben, nicht aber was sie mit ihren Hieroglyphen bezeichnen oder vorstellen wollten; dies kann man nur errathen, aber nicht sicher aus den Grundlagen der Bibel ableiten.
Damit habe ich die Weise der Schrift-Erklärung dargelegt und zugleich bewiesen, dass es der alleinige sichere Weg zur Erforschung ihres Sinnes ist; allerdings müssen Diejenigen mehr Gewissheit haben, wenn es Deren giebt, welche die sichere Ueberlieferung oder wahre Auslegung von den Propheten selbst erhalten haben, wie die Pharisäer sagen, oder welche einen Hohenpriester haben, der in Auslegung der Schrift nicht irren kann, wie die Katholiken sich eines solchen rühmen. Allein da ich weder über diese Ueberlieferung, noch über das Ansehen des Papstes Gewissheit erlangen kann, so kann ich auch darüber nichts Gewisses feststellen. Letzteres haben die ältesten oder ersten Christen, Jenes die ältesten Sekten der Juden bestritten, und bedenkt man die Reihe von Jahren, um Anderes nicht zu erwähnen, durch welche die Pharisäer nach der Lehre ihrer Rabbiner diese Ueberlieferung bis zu Moses hinauf führen, so findet man, dass sie falsch ist, wie ich auch an einem andern Orte darlege. Deshalb muss eine solche Ueberlieferung als sehr verdächtig gelten, und wenn ich auch bei meinem Verfahren eine Ueberlieferung der Juden annehmen muss, nämlich die Bedeutung der hebräischen Worte, die wir von ihnen empfangen haben, so zweifle ich, wenn auch nicht an dieser, doch an der andern. Denn Niemandem konnte es jemals Etwas nützen, die Bedeutung eines Wortes zu verändern, wohl aber den Sinn einer Rede. Auch wäre Jenes ausserordentlich schwer gewesen; denn wer den Sinn eines Wortes ändern wollte, musste auch alle Schriftsteller, die in dieser Sprache geschrieben und das Wort in seiner gewöhnlichen Bedeutung gebraucht haben, entweder im Geist und Sinn eines Jeden erklären oder mit der höchsten Vorsicht verfälschen. Auch schützt das Volk ausser den Gelehrten die Sprache; aber den Sinn der Reden und die Bücher schützen nur die Gelehrten; und deshalb konnte es wohl kommen, dass die Gelehrten den Sinn einer Rede in einem sehr seltenen Buche, das sie in ihrer Gewalt hatten, verändern oder verderben
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