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Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition)

Titel: Theologisch-Politische Abhandlung: Erweiterte Ausgabe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baruch de Spinoza
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Widerspricht der wirkliche Sinn der Vernunft, so meint er, dass die Stelle, auch wenn sie noch so klar sei, doch anders ausgelegt werden müsse, und sagt dies deutlich im Buche More Nebuchim, Th. 2, Kap. 25 mit den Worten: »Wisset, dass ich mich trotz der Worte, welche die Bibel über die Schöpfung der Welt enthält, nicht scheue zu sagen, dass die Welt von Ewigkeit bestanden hat. Denn der Stellen, welche sagen, die Welt sei geschaffen, sind nicht mehr als derer, welche sagen, Gott sei körperlich, und der Weg zur Erklärung der Stellen, die über die Erschaffung der Welt handeln, ist uns nicht verschlossen oder versperrt, und wir hätten sie auslegen können, wie wir es bei der Körperlichkeit Gottes gemacht haben, und vielleicht wäre dies leichter gewesen, und wir hätten bequemer diese Stellen erklären und die Ewigkeit der Welt feststellen können, als es bei der Erklärung der heiligen Schriften geschehen, wo wir die Körperlichkeit des gesegneten Gottes beseitigten. Wenn ich dies nicht thue und nicht glaube (nämlich, dass die Welt ewig sei), geschieht es ans zwei Gründen: 1) weil klar bewiesen ist, dass Gott nicht körperlich ist, und alle jene Stellen demgemäss erklärt werden müssen, deren Wortsinn damit in Widerspruch steht; denn sie müssen offenbar eine Erklärung (neben der wörtlichen) verstatten. Aber die Ewigkeit der Welt beruht auf keinem Beweise, deshalb braucht man den Schriften keine Gewalt anzuthun und sie gegen den scheinbaren Sinn auszulegen, zu dessen Gegentheil ich allerdings durch die Vernunft bestimmt werden könnte. Zweitens widerspricht der Glaube, dass Gott unkörperlich sei, den Grundlagen des Gesetzes nicht; dagegen zerstört die Annahme der Ewigkeit der Welt in dem Sinne des Aristoteles das Gesetz von Grund aus.«
     
    Aus diesen Worten des Maimonides folgt deutlich, was ich gesagt habe; denn wäre er selbst in seiner Vernunft gewiss, dass die Welt ewig sei, so würde er nicht anstehen, die Schrift zu pressen und auszulegen, bis sie selbst dies zu lehren schiene; ja, er wäre gleich überzeugt gewesen, dass die Schrift, obgleich sie überall dagegen spricht, doch die Ewigkeit der Welt habe lehren wollen. Mithin konnte er über den wahren Sinn der Schrift bei aller Klarheit derselben nicht sicher sein, so lange er selbst die Wahrheit bezweifelte oder derselben nicht sicher war. Denn so lange man dieser Wahrheit nicht sicher ist, so lange weiss man nicht, ob der Gegenstand mit der Vernunft stimmt oder ihr widerstreitet, und deshalb auch nicht, ob der wörtliche Sinn der wahre Sinn der Bibel ist oder nicht.
     
    Wäre diese Ansicht richtig, so würde ich unbedingt anerkennen, dass man noch eines andern als des natürlichen Lichtes zur Auslegung der Bibel bedarf. Denn beinahe der ganze Inhalt der Bibel kann aus Grundsätzen des natürlichen Lichtes, wie gezeigt, nicht abgeleitet werden, deshalb kann auch das natürliche Licht uns über dessen Wahrheit keine Auskunft geben, folglich auch nicht über den wahren Sinn und die Meinung der Bibel, sondern es würde dazu eines andern Lichtes bedürfen. Wenn diese Ansicht wahr wäre, würde weiter folgen, dass die Menge, welche in der Regel die Beweise nicht kennt oder dazu keine Zeit hat, den Inhalt der Bibel nur auf Treue und Glauben der Philosophen annehmen und diese in der Schrifterklärung für untrüglich halten müsste, und dies wäre fürwahr eine neue Autorität in der Kirche und ein neues Geschlecht von Priestern und Päpsten, was von der Menge mehr belacht als verehrt werden würde.
     
    Allerdings verlangt auch mein Verfahren die Kenntniss der hebräischen Sprache, mit deren Erlernung die Menge sich nicht abgeben kann; allein deshalb trifft dieser Einwand mich nicht, denn das niedere Volk der Juden und Heiden, für die ehedem die Propheten und Apostel gepredigt und geschrieben haben, verstand deren Sprache und damit auch deren Meinung, aber nicht die Gründe der Dinge, die sie lehrten, obgleich sie nach Maimonides auch diese hätten verstehen müssen, um den Sinn des Propheten zu fassen. Deshalb folgt ans meiner Erklärungsweise nicht, dass die Menge sich nothwendig bei dem Zeugniss der Erklärer beruhigen müsse; denn ich zeige ein Volk, welchem die Sprache der Propheten und Apostel geläufig war; aber Maimonides wird kein Volk zeigen können, welches die Gründe der Dinge einsieht und daraus deren Sinn entnimmt. Was aber das heutige niedrige Volk anlangt, so habe ich schon gezeigt, dass das zum Heil Nöthige auch ohne Kenntniss

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