Thorn - Die letzte Rose
ein böser Alptraum gewesen.
Als sich die Zimmertür öffnete und sich Leos Kopf nach innen schob, unterbrach Thorn ihre Überlegungen abrupt. Sie führten ohnehin zu keinem greifbaren Ergebnis.
Lapidar legte sie das Taschentuch beiseite, die Klinge schob sie wieder in die Scheide. Sie war ohnehin spiegelblank und konnte nicht sauberer werden.
Leos Rückkehr von der Toilette war der beste Grund, hinauszugehen. Sie hatte eine Idee.
Noch immer war das Haus verdunkelt, doch inzwischen kannte sie den Weg auch in der Düsternis. Mit schnellen Schritten marschierte sie nach unten zur Küche. Timok begegnete sie dabei nicht - umso besser! Wie sie es erhofft hatte, fand sie de Bors an einem der Tische sitzend vor.
„Und?“ Die Vampirin sah von ihrer Zeitung auf. „Hast du dich entschieden, ob du mitmachst?“
„Noch nicht“, entgegnete Thorn und packte ihre beiden Schwerter ein wenig fester. „Kommt darauf an, ob du mir die Wahrheit erzählst oder mich weiter anscheißt.“
„Ich habe dich nicht ...“
„Was ist mit diesem Ersten?“ Ihre Muskeln spannten sich. „Seinen richtigen Namen kenne ich nicht, die ROSE nennt ihn Rotauge.“
„Eine Blasphemie, ihn so zu nennen.“
„Ich weiß. Aber ich würde ihn auch gern anders nennen, leider hat er sich mir noch nicht vorgestellt.“
„Er heißt Adamus.“
Thorn hielt kurz inne. Adamus also … Sie hoffte, dieser Adamus war nicht so alt, dass er als Vorbild für den biblischen Adam gedient hatte. Vermutlich war dies auch nur ein Tarnname. Egal! Insgeheim setzte sie diesen Namen bereits auf Fahndungsplakate, selbst wenn die zu nichts führten. Für sie würde er jetzt und für immer Rotauge bleiben.
„Okay, dann Adamus“, knurrte sie zurück, ohne sich den Wind aus den zornigen Segeln nehmen zu lassen. „Du warst sein Liebchen, sagtest du?“
„Das ist richtig.“
„Aber du bist es nicht mehr.“
Diese Feststellung erstaunte de Bors. Man hatte ihr Geheimnis herausgefunden. Doch sie schien darüber nicht geschockt zu sein, sondern hatte wohl irgendwann damit gerechnet.
„Du würdest niemandem die Welt zum Geschenk machen wollen, um seine Gunst zu gewinnen, wenn du sie bereits hättest“, erklärte Thorn forsch. „Damit willst du ihn zurückgewinnen.“
„Es ist wahr.“ Überraschend leugnete die Vampirin keinen Moment. „Er hat mich verlassen weil ...“ Sie schluckte; ihre Stimmbänder schienen wie gelähmt zu sein.
„Weil ...?“
„Weil ich ihm nicht mehr hübsch genug bin.“
Was sollte Thorn darauf erwidern? Dass de Bors die schönste Frau auf Erden war? Besser nicht. Obwohl es auf eine Lüge mehr oder weniger jetzt auch nicht mehr ankam. Andererseits hätte es ihr Gegenüber als Kompliment auffassen können, und sie hatte sich ja bereits davon überzeugen können, offenbar war sie nicht hundertprozentig hetero.
Groß sah die Schwarzhaarige sie an. „Ja, du fragst dich sicher, wie das sein kann“, erriet sie ihre Gedanken, „aber es ist nicht alles so, wie es scheint. Du kennst Tatjana Thorn?“
Besser, als du denkst. „Leo erzählte von ihr.“
„Adamus ist ihr Todfeind, weil er vor Jahren ihre Eltern getötet und sich an ihnen gesättigt hat. Seitdem will sie ihn umbringen, dabei musste er sich doch einfach nur ernähren.“
Drecksschlampe! Aber auch das sprach Thorn nicht aus.
„Ich bin zwischen die Fronten geraten, dabei hat sie mich verletzt.“
Zwei Kugeln mitten in die Fresse!
„Aber obwohl Adamus mich damals gebissen hat, bin ich kein Sucker geworden, auch keine Meisterin. Ich bin ... irgendwas dazwischen. Ich kann mich sogar eine Zeitlang wie ein Mensch ernähren, ohne Blut. Und auch die Sonne macht mir nichts aus.“
„Deshalb hat bis jetzt auch niemand in Frage gestellt, dass du eine Erste bist ...“
„Richtig.“ Tief holte sie Luft, ihr war anzusehen, sie musste sich überwinden, das Nötige zu tun. Dann öffnete sie den Reißverschluss ihres weißen Overalls für wenige Zentimeter.
Darunter wurde ein Amulett erkennbar, das sie an einer Kette um den Hals trug. Ein Amulett, das Thorn bestens bekannt war. Mehr noch: Seit gestern trug sie ein identisches unter ihrer eigenen Kleidung.
Ein Camouflage-Amulett! Der darin eingearbeitete grüne Magie-Staub leuchtete matt wie Glühwürmchen.
De Bors’ Finger spielten mit dem Anhänger, sanft ließ sie sie über die Kette gleiten.
„Diese Thorn hat mir direkt ins Gesicht geschossen.“
Das wusste sie bereits. „Aber die Wunden sind verheilt.“
„Sind
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