Thorn - Die letzte Rose
das ihm aus dem Rücken ragte.
Mit beiden Beinen gab Thorn dem Meister weiteren Schwung, sodass er nicht auf sie stürzte, sein schwefelstinkendes Blut sich nicht über sie ergoss oder sie verbrannt wurde, sobald sich der Leichnam entzündete.
Wie ein Vogel, den der tödliche Pfeil mitten im Flug getroffen hatte, sank er hinter ihr zu Boden. Ein nasser Sack, aus dem abrupt jedes Pseudo-Leben gewichen war, das nun in einer Stichflamme endgültig vom Antlitz der Erde getilgt wurde.
Das Herz des Vampirs, aufgespießt auf dem Metallrohr, brannte ebenfalls und erweckte den Eindruck einer Fackel.
Seit Beginn der Auseinandersetzung war kaum eine Minute verstrichen. Cesaro zerbrach sich ständig den Kopf, was Thorn mit ihren Lektionen hatte sagen wollen, und wenngleich er es insgeheim verdammt genau wusste, weigerte er sich, es wahrzuhaben.
Immerhin, er sah jetzt eine Chance, sich nützlich zu machen, als er entdeckte, wie sich die Rothaarige zwischen den Mülltonnen zu regen begann. Einige Holzspieße hatten sich in ihre Schulter getrieben, sie war verletzt.
Zorn brandete in dem Knappen auf. Zorn, wie man ihn behandelt hatte, dass man ihn gejagt hatte wie Vieh. Zorn auf Gott und die Welt. Blitzartig war er bei der Sucker-Meisterin und ließ sie in die Mündung seiner Pistole sehen. Seine Waffe war mit Dumdum-Munition geladen. Zwei, drei gezielte Schüsse in den Hals sollten den Kopf vom Körper trennen.
„Stopp!“
Thorns Stimme durchschnitt die Grabesstille und verhinderte, dass er ihr ein sofortiges Ende bereitete.
Ungläubig waren die himmelblauen Augen der Vampirin aufgerissen, sie erwartete ihr Ende. Als wolle sie sich das Gesicht ihres Mörders genau einprägen, auf dass der Rest der Brut für sie Rache nehme.
„Verstehe“, nickte der Gun-Man in Richtung der Ritterin. „Schon ewig ist es nicht mehr gelungen, einen Meister lebend zu fangen.“ Seine Stimme überschlug sich fast, es würde sich gut in seiner Vita machen, die Rothaarige abzuliefern, auch wenn es eher Thorns Verdienst war. „Wissen Sie, was das bedeutet? Unglaubliche Chancen, hinter ihre Geheimnisse zu kommen.“
Die Weißhaarige schloss zu ihm auf und legte ihm die Hand auf die Schulter, bedeutete ihm damit, die Pistole wegzustecken. Cesaro musste sich zwar erst mit einem fragenden Blick vergewissern, sie nicht falsch verstanden zu haben, dachte jedoch nicht daran, ihren Befehl zu missachten. Schließlich stand sie höher als er.
„Du kennst unser Forschungszentrum in der Bretagne?“, wandte sie sich an die rothaarige Vampirin am Boden.
Stummes Nicken war die Antwort. Sie wusste nicht nur, wann sie verloren hatte, aufgrund des kollektiven Gedächtnisses wusste sie auch von dem Institut. Auch sie war sich darüber im Klaren, die Rose war alles andere als zimperlich, wenn sich eine Chance bot, die letzten Geheimnisse ihrer Erzfeinde zu entschlüsseln. Zu viele Ritter waren gestorben, um sich Gnade und Nachsicht leisten zu können.
„Willst du dorthin?“, wollte Thorn ruhig wissen, ohne den Hauch von Aggressivität.
Kaum wahrnehmbares Kopfschütteln war die Antwort.
„Dann tu, was du nicht lassen kannst ...“
Plötzlich, völlig unerwartet, geriet Leben in die Rothaarige!
Wie Messer schossen ihre Hände nach hinten, direkt auf sich selbst zu. Noch bevor der Gun-Man reagieren konnte, hatte sie sich mit ihren Klauen selbst das Herz aus der Brust gerissen.
Agonisch zuckte es in ihrer Hand, ein unregelmäßiger Rhythmus, der mit jedem verstreichenden Moment schwächer wurde. Blut rann in einem dünnen Rinnsal aus den Mundwinkeln der Rothaarigen, und die Augäpfel wollten aus den Höhlen springen. Ein kurzes, frenetisches Zucken - wenige Sekunden später war es vorüber, blitzte es und verwandelte die Stichflamme den Körper in einen Feuerball. Nur ein wenig Asche würde von ihr übrig bleiben, doch der penetrante Gestank nach Verbranntem und nach Pest ließ Cesaro würgen.
Kurz schloss Thorn die Augen. Sie seufzte leise und ließ das Metallrohr kraftlos fallen, sie brauchte es nicht mehr. Ein lauter Schlag ertönte, als das Rohr auf den Asphalt prallte, doch sie schien es kaum noch wahrzunehmen. Während sie ihre beiden Schwerter wieder an sich nahm, sah sie so schrecklich aus, wie sie sich wahrscheinlich fühlte.
„Warum?“, wollte Cesaro wissen. Sein dunkles, halblanges Haar war noch immer tropfnass von seiner Flucht, und er war hin- und hergerissen, ob er der Vampirjägerin für seine Rettung dankbar sein oder sie
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