Thors Valhall
erbärmlichen Zustand, flehte mich an, ihm Alkohol zu geben, bot mir Sex dafür, doch er war viel zu schwach, um mir seine Männlichkeit in irgendeiner Form beweisen zu können …“
Kurz schloss er die Augen, presste die Lippen fest zusammen. Er wollte nicht weiterlesen, diese hinterhältigen Lügen nicht ertragen …
„Hat es euch amüsiert, ja?“
Im nächsten Moment ergriff er die Zeitung, um sie mit Wut zerreißen zu können. Die losen Blätter fielen zu Boden, zornig sah er seine Kollegen an, jeden von ihnen … Nur Thor Fahlstrøm hatte ein entspanntes Lächeln auf den Lippen.
Ohne eine Antwort abzuwarten, steuerte Dylan die Küche an.
„Idiotenpack!“, fluchte er, dabei suchte er nach seiner silbernen Kanne, bis ihm einfiel, dass diese ja gar nicht mehr existierte.
Das Geschirr klapperte, als er sich noch immer lästernd einen Kaffee mit Milch einschenkte, ihn mit schnellen Bewegungen durchrührte.
„Ich wusste gar nicht, dass du inzwischen auf Titten stehst“, erklang plötzlich eine Stimme hinter ihm.
„Pass‘ bloß auf!“, brüllte Dylan drohend. Mit ernster Miene starrte er Thor an, doch der blieb ganz gelassen.
„Lass‘ dich von diesen Spinnern doch nicht ärgern“, beruhigte er. „Deine Fans werden diesen Scheiß eh nicht glauben.“
Schließlich kam auch Tony in die Küche, sein Blick war betroffen.
„Bist du echt schon wieder okay?“, fragte er vorsichtig. „Soll ich mich kümmern, wegen des Artikels? Wir verklagen die Zeitung, und …“
Dylan winkte ab. Er war sich sicher, dass das nichts bringen würde. Die „Schwester“, die heimlich in sein Zimmer gekommen war, hatte ihn gelinkt, genötigt und schließlich der Presse zum Fraß vorgeworfen. Sicher hatte sie längst abkassiert für ihren verlogenen Bericht, wahrscheinlich war sie selbst eine von den skrupellosen Reportern …
Und er? Wie stand er nun da? Musste man tatsächlich inzwischen lachen über ihn?
„Ich werde selbst eine Gegendarstellung bringen, aber nicht jetzt“, sagte er. Seine Stimme war leiser geworden, er wirkte immer noch erschöpft. „Ich will singen“, sprach er weiter. „Ich bin nur hier, um singen zu können.“
Als er den Übungsraum betrat und sich hinter das Mikrofon stellte, ganz dicht neben Thor, erst dann fühlte er sich wieder wohl. Er schloss die Augen, genoss die beginnende Musik und die Backing Vocals, die eingespielt wurden. Er ließ sich von ihnen treiben und begann mit ruhiger Stimme seinen Text vorzutragen …
My star, I saw it high and far At the parting of the ways
A light on the edge of the outer night
Like silver set ablaze
Where the round world plunges steeply down
But on the old roads goes
As an unseen bridge that on arches runs
To coasts that no man knows
Und sein Körper erschauderte wohlig, als er Thors dunkle Stimme neben sich vernahm …
I would never find the burning domes …
… und sie einige Worte schließlich zusammen ins Mikrofon sangen, so nah, so innig...
…and the sands…
Where reigns the sun, nor dare the snows
Nor seek in mountains dark the landscapes
... of the men …
long lost to whom no pathway goes [5]
Es hätte ein wundervolles Duett werden können. Er spürte Thors Nähe, seine Wärme, seine prüfenden Blicke auf seinem Körper, immer dann, wenn sie zusammen einige Passagen sangen, ihre Stimmen sich wie ein Liebespaar vereinten.
Doch auch immer wieder unterbrach Phil die harmonische Atmosphäre. Immer wieder mussten sie von vorne beginnen, immer wieder stimmte irgendetwas nicht.
Erst, als es schon dämmerte, machten sie eine Pause.
„Okay, ich denke, das Stück ist fertig, zum abmischen.“ Phil machte sich Notizen. Es war eine gute Nachricht, dass ein weiterer Song abgearbeitet war, doch Dylan konnte kein Lachen zustande bringen.
Als er den Übungsraum verließ, müde und ausgelaugt, mit belegter Stimme und weichen Knien, holte ihn die Wirklichkeit wieder ein.
In der Küche nahm er Platz, schenkte sich einen weiteren Kaffee ein und bettete seinen Kopf auf den Tisch.
„Wir sollten Schluss machen für heute“, ertönte es im Hintergrund.
„Ja, ich finde auch, Dylan sieht ganz fertig aus …“
„Also von mir aus könnten wir fortfahren …“
„Wir sollten vielleicht noch die ein oder andere Passage im vierten Lied ändern …“
„Hey, hört ihr schlecht? Dylan geht es noch nicht gut …“
Abermals nahm der Zorn in ihm überhand. Konnten sie ihn nicht in Ruhe lassen? Konnten sie sich nicht um ihren
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