Thors Valhall
sich. Ein wenig perplex steckte er die Utensilien schließlich in seine Kosmetiktasche.
„Wieso denn das?“, fragte er erstaunt, ein wenig schockiert. Seine Augen weiteten sich fragend. „Wir sind doch noch nicht fertig.“
„Doch!“, erklärte Tony, ein wenig erleichtert darüber, dass Dylan nach dieser Info nicht sofort ausrastete. „Ich habe mit der Plattenfirma gesprochen. Ihr habt 8 Songs, das reicht. Das Album wird kürzer, als geplant, aber angesichts der Ereignisse der letzten Zeit und dem leichten Produktionsverzug, haben wir uns darauf geeinigt, dass keine weiteren Aufnahmen mehr nötig sind. Die Musiker müssen nur noch ein paar Dinge ändern, überarbeiten, aber die Vocals sind alle perfekt. Thor und du, ihr werdet nicht mehr gebraucht. Der Veröffentlichungstermin wird eingehalten.“
„Ach so.“ Dylans Blick war ins Leere gerichtet. Nach wenigen Sekunden der körperlichen Starre griff er nach der Kleidung, die auf dem Bett lag. Lautlos zog er sich seine Hose an, eine enge, schwarze Zip-Hose mit Schnallen an den Seiten, dazu ein hauchdünnes Shirt ohne Ärmel. Wann immer es ging, stellte er sein Tattoo mit dem Schriftzug Thor zur Schau.
Still steckte er seine Ringe an die Finger, dabei klimperten die silbernen Armreifen, die er selten ablegte, an seinem Handgelenk.
„Dann fahr‘ ich ins Marriotts , kann mich auch da ausruhen“, entschloss er sich. „Die haben eine gute Küche und eine wunderbare Saunalandschaft.“ Er lächelte, als er daran dachte, unter welchen Umständen er die Vorzüge dieses Hotels kennenlernen durfte.
Aber auch jetzt musste Tony seinem Tatendrang entgegenwirken.
„Du weißt es wohl noch nicht?“, fragte er vorsichtig. Sofort sah Dylan wieder auf.
„Was?“
„Thor ist schon wieder in Norwegen. Er ist heute früh abgereist.“
Dylans Mund öffnete sich. Tony rechnete mit dem Schlimmsten, mit einem Wutausbruch, mit Geschrei und Randale, so wie man es sonst von Dylan gewohnt war, doch der blieb ausnahmsweise erstaunlich ruhig, fast betroffen. Ein Zeichen dafür, dass er doch schon getrunken hatte?
Ohne Worte setzte er sich auf’s Bett, griff nach seinen Boots und zog sie nachdenklich an.
„Es stört dich gar nicht?“, hakte Tony nach. Konnte das wirklich sein? Ein winziger Hauch von Hoffnung flammte auf. War die Geschichte etwa endlich beendet? War Fahlstrøm gegangen ohne Abschied, ohne Wort, um Dylan endgültig abzuschreiben?
Tony kam näher. Vielleicht begriff sein Schützling jetzt endlich, dass er und der Sänger von Wooden Dark in Zukunft getrennte Wege gehen sollten?
„Es überrascht mich nicht“, sagte Dylan, als er seine Stiefel eng zugeschnürt hatte und wieder auf die Beine kam. Sein nächster Griff war der zu Kamm und Bürste.
„Es war mir absolut klar, dass Thor nach Hause fahren würde, sobald die Aufnahmen gelaufen sind.“ Er lächelte sanft. „Er mag doch keine Großstädte, außerdem warten die Hunde auf ihn, sein Großvater …“ Er trat wieder vor den Spiegel. Und Magnus …
Sofort senkte sich sein Blick. Er konnte sein Spiegelbild nicht ertragen. Hübsch sah er aus, keine Frage, und selbst die frische Wunde in seinem Gesicht änderte nichts an dieser Tatsache. Doch er sah anders aus. Ganz anders als …
Magnus …
Er holte tief Luft, verdrängte seine düsteren Gedanken.
„Dann werde ich mich eben in Norwegen erholen“, beschloss er kurzerhand. Mit hektischen Bewegungen kämmte er seine Haare zur rechten Seite. Sie glänzten tiefschwarz, was sicher daran lag, dass er permanent diese teuren Spülungen benutzte, dass Phiola ihm regelmäßig die Haare schnitt, dass er sie vielleicht viel zu oft färbte.
Wie war seine richtige Haarfarbe gewesen? Er wusste es nicht mehr genau. Wahrscheinlich ganz unscheinbar und keineswegs blond …
Die Enttäuschung in Tony war kaum zu übersehen. Er seufzte, fuhr sich über das Gesicht, suchte die passenden Worte:
„Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder? Du willst diesem Arsch schon wieder folgen?“
„Ich folge nicht“, stellte Dylan klar, dabei legte er Bürste beiseite und griff stattdessen zum Kamm, womit er sein Haar toupierte. „Ich möchte nur dort sein, wo er ist.“
Er drehte sich und erklärte: „Thor mag es nicht, wenn man sich aufdrängt, wenn man angekrochen kommt … Aber gegen Besuche hat er nichts.“
Tony schüttelte den Kopf. „Sorry, ich sehe da keinen Unterschied. Thor kommt und geht, wann er will, ohne dich zu informieren. Das ist wirklich eine lausige Art
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