Thunderhead - Schlucht des Verderbens
ließ noch einmal ihre fast leere Feldflasche kreisen. Die Ausrüstung, die sie in drei beschwerlichen Touren nach oben gebracht hatten, lag sauber aufgereiht neben einem großen Felsen. Black, der fix und fertig war, hockte schweißüberströmt auf einem Stein, und auch den anderen ging es nicht viel besser. Die Sonne war ein gutes Stück nach Westen gewandert und beleuchtete nun den lang gestreckten Pappelhain unten im Tal, durch das sich der Fluss hindurchschlängelte wie ein glänzendes Band aus reinem Silber. Nach der trockenen Wüstenlandschaft der letzten Tage kam den Expeditionsteilnehmern dieser Anblick unbeschreiblich üppig und schön vor. Nora war so durstig, dass ihr der ganze Körper wehtat.
Sie drehte sich um und blickte den Pfad hinunter, den sie heraufgekommen waren. Die schwierigste Aufgabe stand ihr noch bevor. Großer Gott, dachte sie, da müssen wir jetzt sechzehn Pferde raufbringen... Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrem Magen breit und ließ sie die Schmerzen in ihren Gliedern vergessen.
»Ich möchte gerne mit den Pferden helfen«, sagte Sloane.
Nora wollte etwas erwidern, aber Swire kam ihr zuvor. »Nein!«, brummte er. »Je weniger von uns auf diesem verdammten Pfad herumlaufen, desto weniger können sich den Hals brechen.«
Nora übergab Sloane die Verantwortung für die Gruppe und stieg zusammen mit Swire wieder nach unten. Dort brachte der Cowboy mit mürrischem Gesicht die Pferde herbei, die nur ihr Zaumzeug trugen. Nur Mestizo hatte er ein Seil an das Halfter gebunden. »Wir führen die Pferde hintereinander über den Pfad. Ich gehe mit Mestizo voraus, und Sie machen mit Fiddlehead den Schluss. Falls eines der Pferde abstürzen sollte, geben Sie Acht, dass es Sie nicht mit in die Tiefe reißt.«
Nora nickte.
»Wenn wir erst einmal den oberen Abschnitt des Pfades erreicht haben, dürfen die Tiere nicht mehr anhalten, ganz gleich, was geschieht. Wenn sie erst einmal Zeit zum Nachdenken haben, bekommen sie es nämlich mit der Angst zu tun und wollen umkehren. Halten Sie die Tiere also ständig in Bewegung, egal, was passiert. Haben Sie verstanden?«
»Klar und deutlich.«
Sie begannen die Pferde den Pfad hinaufzuführen, wobei sie darauf achteten, dass zwischen den einzelnen Tieren genügend Abstand war. An einer Stelle zögerte Mestizo, aber Swire gelang es, ihn wieder in Bewegung zu setzen. Die anderen Pferde folgten ihm. Vorsichtig suchten sie sich mit gesenktem Kopf ihren Weg. Die Luft war erfüllt vom langsamen Klappern der Hufe und, wenn eines der Tiere einen Fehltritt gemacht hatte, vom Poltern losgetretener Steine. Je höher sie kamen, desto ängstlicher wurden die Pferde. Sie begannen zu schwitzen und laut zu schnauben und rollten mit den Augen, so dass man das Weiße darin sehen konnte. Auf halbem Weg endete die mit Geröll gefüllte Felsspalte und der gefährliche, in den Fels gehauene Teil des Pfades begann, den jahrhundertelange Erosion zur bloßen Andeutung eines Weges reduziert hatte. Dort, wo er bereits abgebröckelt war, würden die Pferde über einen gähnenden Abgrund treten müssen. Als Nora an diese Stellen und an die steilen Kehren weiter oben dachte, musste sie mit aller Macht die Panik unterdrücken, die tief in ihrem Innern aufstieg.
Swire hielt kurz an und drehte sich zu ihr um. Jetzt können wir noch zurück, schien sein eiskalter Blick zu sagen. Wenn wir weitergehen, haben wir diese Chance vertan.
Nora schaute hinauf zu dem o-beinigen Cowboy, dessen Schultern kaum bis an den Rist seiner Pferde reichten. Er sah so ängstlich aus, wie sie sich fühlte.
Nachdem sie sich einen Moment lang wortlos betrachtet hatten, machte Swire kehrt und führte Mestizo weiter den Pfad hinauf. Das Tier ging zögernd ein paar Meter weiter, bevor es zu scheuen begann. Es gelang Swire, Mestizo zu einigen weiteren Schritten zu bewegen, dann scheute er wieder und wieherte vor Angst. Eines seiner Hufeisen rutschte ab, bis es doch noch festen Halt auf dem Sandstein fand.
Indem er mit leiser Stimme auf das Pferd einredete und mit dem Ende seines Lassos direkt an Mestizos Hinterteil schnalzte, brachte Swire ihn wieder in Bewegung. Die anderen Tiere, deren Herdentrieb offenbar stärker war als ihre Angst, folgten ihm. Quälend langsam arbeiteten sie sich nach oben. In die klopfenden und kratzenden Geräusche der auf dem glatten Fels nach Halt suchenden Hufeisen mischte sich das ängstliche Schnauben des einen oder anderen Pferdes, und Swire begann leise ein trauriges, aber
Weitere Kostenlose Bücher