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Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Thunderhead - Schlucht des Verderbens

Titel: Thunderhead - Schlucht des Verderbens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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weniger Minuten in einen reißenden Strom zu verwandeln und dann das breite, ausgewaschene Tal vollkommen zu überschwemmen vermochte. Auf den Flutflächen an beiden Seiten seiner Ufer lagen riesige Felsblöcke von den Ausmaßen eines Einfamilienhauses, die das Wasser irgendwann einmal aus den Bergen heruntertransportiert hatte. Darüber stiegen in mehreren Terrassen die Wände aus rotem Sandstein an, die weiter oben fantastische Klippen, Türme und Spitzen bildeten. Nora kam es so vor, als wäre dieses Tal der Ablauf für sämtliche Wasserläufe des Kaiparowits-Plateaus. Am anderen Ende des grünen Tals verschwand der Fluss, der dort dichtes Röhricht durchfloss, in einem schmalen, tief eingeschnittenen Canon. Solche extrem engen Felsentäler, die auch als Slot-Canons bezeichnet werden, gab es hier in der Einöde des amerikanischen Südwestens in ziemlich großer Zahl, während sie anderswo in der Welt so gut wie überhaupt nicht vorkamen. Diese bisweilen weniger als einen Meter breiten Schluchten waren das Werk von kleinen Flüssen, die sich jahrtausendelange durch den Sandstein gegraben hatten. Slot-Canons waren oft über hundert Meter tief und erreichten Längen von vielen Kilometern, bevor sie sich wieder zu normalen Canons verbreiterten.
    Nora spähte hinüber zum Eingang des Canons, der wie ein dunkler, in den Rand des großen Plateaus geschnittener Schlitz aussah, und schätzte, dass er eine Breite von etwa zweieinhalb Metern aufwies.
    Das muss der Slot-Canon sein, von dem mein Vater in seinem Brief geschrieben hat, dachte Nora. Sie spürte, wie wachsende Aufregung sich in ihr breit machte. Schließlich holte sie ihr Fernglas aus dem Rucksack und sah sich damit langsam um. In den Felswänden auf der gegenüberliegenden Seite des Tales konnte sie mehrere nach Süden ausgerichtete Alkoven entdecken, die sich ideal für Behausungen der Anasazi-Indianer geeignet hätten. Soweit Nora jedoch durch das Fernglas erkennen konnte, waren sie alle leer. Auch ein Weg, der möglicherweise zu dem verborgenen Canon mit der Stadt Quivira geführt hätte, ließ sich an den glatten Wänden des Plateaus nicht entdecken. Wenn es einen solchen überhaupt gab, dann war er so gut versteckt, dass sie ihn von hier aus nicht orten konnte.
    Nora ließ das Fernglas sinken und sah sich auf dem windumtosten Grat um. Ein Aussichtspunkt wie dieser wäre für ihren Vater eine geeignete Stelle gewesen, um irgendwo seine Initialen einzuritzen, aber sie fand nichts. Zumindest würde Holroyd hier oben endlich eine Positionsbestimmung mit seinem GPS machen können.
    Swire hatte sich, mit dem Rücken an einen Felsen gelehnt, hingesetzt und drehte sich eine Zigarette. Er steckte sie zwischen die Lippen und zündete ein Streichholz an.
    »Ich bringe meine Pferde nicht diesen Pfad hinauf«, erklärte er.
    Nora drehte den Kopf in seine Richtung. »Aber es gibt keinen anderen Weg nach oben.«
    »Das weiß ich«, sagte Swire und machte einen tiefen Lungenzug.
    »Und was schlagen Sie vor? Sollen wir etwa aufgeben und umdrehen?«
    Swire nickte. »Ganz genau«, sagte er und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: »Und das ist mehr als nur ein Vorschlag.«
    Innerhalb von Sekundenbruchteilen war Noras Hochgefühl verflogen. Sie atmete tief durch. »Roscoe, dieser Pfad ist nicht unbegehbar. Wir könnten alles abladen und es auf unseren Schultern hinauftragen und dann die Pferde so führen, dass sie sich ihren Weg selbst suchen können. Es dauert vielleicht bis heute Abend, aber schaffen können wir es.«
    Swire schüttelte den Kopf. »Wenn wir die Pferde diesen Weg hinaufzwingen, bringen wir sie um.«
    Nora kniete sich neben ihn. »Sie müssen es tun, Roscoe. Das Gelingen der Expedition hängt davon ab. Das Institut wird Ihnen jedes Pferd ersetzen, das zu Schaden kommt.« Seinem Gesichtsausdruck entnahm sie, dass sie etwas Falsches gesagt hatte.
    »Sie kennen sich gut genug mit Pferden aus, um zu wissen, dass Sie Unsinn reden«, antwortete er. »Ich sage nicht, dass die Pferde es nicht schaffen können, ich sage vielmehr, dass das Risiko zu groß ist.« Ein trotziger Ton hatte sich auf einmal in seine Stimme gemischt. »Kein Mensch, der noch ganz bei Trost ist, würde ein Pferd diesen Pfad hinaufjagen. Und wenn Sie meine persönliche Meinung hören wollen: Ich glaube nicht einmal an Ihre seltsame Anasazi-Straße -und die anderen tun das auch nicht.«
    »Dann sind Sie also alle der Meinung, dass ich Sie in die Irre geführt habe?«
    Swire nickte und zog an

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