ThunderStorm
die tadelnden Gesichter von Rachel, Christy und Emma. „Was denn?“, wollte er wissen und deutete auf die roten Mordinstrumente, die vor ihm auf den Tisch standen, denn Brian war es wirklich gelungen, genau die Schuhe aufzutreiben, die Rachel gewollt hatte. ' Manolo Blahnik metallic red d'Orsays', hießen die Teile. Ein totaler Zungenbrecher. Rachel, Emma und Christy waren hin und weg von ihnen, und Robb und er hatten längst aufgegeben, ratlose Blicke deswegen zu tauschen. Wie man sich über ein Paar roter Highheels so ereifern konnte, war Gendry ein Rätsel. „Die Absätze sind ja wohl mörderisch, oder nicht?“ Die Frauen wechselten einen Blick, dem ein einstimmiges, „Männer!“, folgte, bevor sie sich die Schuhe schnappten und ihn mit Brian und Robb am Tisch sitzen ließen, die feixten. Gendry schüttelte seufzend den Kopf. „Weiber und Schuhe, oh man.“
„Über das Thema unterhalten wir uns noch mal, falls du Rachel mit ihrem roten Kleid und diesen Schuhen ausführst, und den ganzen Abend damit beschäftigt sein wirst, nicht über sie herzufallen“, meinte Brian lachend und kramte sein Handy aus der Tasche, um dann für die nächste Zeit in seiner eigenen Welt zu verschwinden.
„Gehen wir rauchen?“, fragte Robb mit bedeutsamen Blick auf Brian und Gendry nickte.
Rauchen war immer eine gute Idee. Außerdem würde es ohnehin die letzte Zigarette für die nächsten Stunden sein, denn jetzt, wo sie den Shoppingtrip überlebt hatten und wieder zurück beim Bus waren, stand auch schon die Weiterfahrt auf dem Plan, und eine Pause würde es erst heute Abend wieder geben. Daher folgte Gendry Robb nach draußen, wo sie entschieden, statt einfach am Bus zu bleiben, sich noch etwas die Beine zu vertreten, auch wenn sie gerade erst stundenlang durch die Stadt gelaufen waren. Es war nun mal ein Unterschied, ob man gezwungenermaßen einkaufen ging, oder freiwillig einen Spaziergang machte.
Schweigen machte sich breit. Das war zwischen ihnen nicht sehr ungewöhnlich, denn weder sein Bruder noch Gendry waren große Redner und hielten es daher auch ganz gut eine Weile in Stille aus. Aber irgendetwas war heute anders. Gendry konnte es anfangs nicht greifen, aber je länger sie unterwegs waren und Robb sich eine Zigarette nach der anderen ansteckte, umso deutlicher wurde Gendry bewusst, dass sein großer Bruder nicht grundlos gefragt hatte, ob er mit ihm nach draußen kam.
„Was ist los?“, fragte er schließlich, als Robb sich die sechste Zigarette anzündete.
„Christy.“ Robb sah ihn von der Seite her an. „Sie hat mich heute Morgen beobachtet, als ich aufgewacht bin. Sie lag neben mir und lächelte mich an.“
„Das ist doch gut.“ Gendry runzelte irritiert die Stirn, als Robb stumm den Kopf schüttelte. „Es ist nicht gut?“
„Nein, diese Art von melancholischem Lächeln ist gar nicht gut“, antwortete Robb, doch bevor Gendry fragen konnte, was sein Bruder meinte, erzählte Robb weiter. „Sie hatte einen Arzttermin ... vorgestern.“
Vorgestern? Gendry blieb einen Moment der Mund offenstehen. „Aber da war sie doch ...“
„Offiziell nur unseren Buskühlschrank auffüllen, ich weiß“, sprach Robb aus, was Gendry nicht hatte sagen wollte, denn das bedeutete, dass Christy seinen Bruder angelogen hatte und das tat sie nicht. Christy log nicht. „Ich habe einen Zettel gefunden, als ich unsere Wäsche waschen wollte. Ich verstehe zwar nichts von den ganzen Fachbegriffen, aber dass das, 'positiv', was auf dem Zettel stand, nichts Gutes ist, weiß sogar ich.“
Gendry fehlten die Worte. Christy war positiv? Das hieß, dass sie sich bei einem Arzt auf irgendetwas hatte testen lassen, was Alles und Nichts heißen konnte, aber ein positives Testergebnis war in den wenigsten Fällen etwas Gutes. Vor allem, da Christy es gegenüber seinem Bruder, ihrem eigenen Ehemann, offensichtlich geheim halten wollte. Er hielt Robb fest und blieb stehen, worauf der ihn nervös ansah.
„Du musst endlich mit ihr reden.“
„Ich weiß.“
„Und wenn …?“ Gendry brach ab und schüttelte den Kopf. Darüber konnten sie sich immer noch einen Kopf machen, wenn sie wussten, worum es bei dem ominösen Testergebnis überhaupt ging. „Lass' dich nicht mehr von ihr abwimmeln ... Du musst herausfinden, was los ist.“
Robb biss sich auf die Unterlippe und fuhr sich dabei durch seine braunen Haare. „Ich habe eine Scheißangst, Gendry. Was, wenn sie ... wenn sie ... todkrank ist? Was ist, wenn sie …?
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