Thursday Next 02 - In einem anderen Buch
Volescampers Bibliothek stehen?«
Ich dachte einen Augenblick nach. »Ja. Er hatte eine seltene Erstausgabe von Decline and Fall von Evelyn Waugh.«
»Na also«, sagte er grob. »Wir haben keine Zeit zu verlieren. Nichts wie los.«
Wir nahmen den Aufzug zum Stockwerk W, fanden die gesuchte Ausgabe, betraten das Buch durch einen Seiteneingang, schlichen uns an einer lauten Studentenparty vorbei und standen alsbald in der Bibliothek von Vole Towers.
»Kater?« sagte Harris und sah sich in dem großen Saal um. »Kannst du uns hören?« \1
»Danke. Ein einfaches ›ja‹ würde reichen. Schick uns die Safeknacker durch die Erstausgabe von Decline and Fall. Sollen sich aber nicht auf dieser Studentenparty besaufen. Hast du irgendwas über Volescamper und Kaine?« (22)
»Verdammt!« sagte Tweed. »Es war wohl ein bisschen zu optimistisch, dass ich gehofft habe, sie würden ihre eigenen Namen benutzen.«
Neben uns erschienen lautlos zwei Männer, und Harris zeigte auf den Tresor. Der eine Neuankömmling trug einen eleganten Smoking, der andere trug einen eher praktischen Anzug aus derber Wolle und schleppte eine Werkzeugtasche mit sich herum. Sie musterten den Panzerschrank mit fachmännischen Augen. Dann zog der Ältere sein Jackett aus, nahm das Stethoskop, das sein Partner ihm hinhielt, und lauschte ins Innere der Panzertür, während er langsam an der Kombination drehte. »Ist das Raffles?« flüsterte ich. »Der berühmte Gentleman-Verbrecher?«
Harris nickte und sah auf die Uhr. »Mit seinem Assistenten Bunny. Wenn jemand den Safe knacken kann, dann die beiden.«
»Und wer, glauben Sie, hat den Cardenio gestohlen?«
»Sie verstehen es, schwere Fragen zu stellen. Die Liste der Verdächtigen ist so lang wie Ihr Arm. Es gibt mindestens eine Million in der Buchwelt. Jede x-beliebige Figur kann durchgedreht haben. Sie schnappt sich das Manuskript, taucht hier auf und zieht eine Schau ab.«
»Wie kann man denn feststellen, ob jemand echt ist?«
Harris sah mich spöttisch an. »Das ist nicht einfach. Glauben Sie, ich gehöre hierher?«
Ich betrachtete den stämmigen Mann mit der klassischen Tweedjacke im Fischgrätenmuster und berührte ihn mit der Fingerspitze. Er war genauso real wie jeder andere, den ich außerhalb oder innerhalb von Büchern je kennen gelernt hatte. Er atmete, lächelte, verzog das Gesicht - wie sollte ich da irgendwas feststellen?
»Ich weiß nicht. Stammen Sie nicht aus einer Detektivgeschichte der zwanziger Jahre?«
»Falsch«, sagte Harris. »Ich bin genauso real wie Sie. Drei Tage die Woche arbeite ich als Weichensteller beim Skyrail. Aber kann ich das beweisen? Ich könnte genauso gut eine Nebenfigur in irgendeinem obskuren Roman sein. Die einzige Möglichkeit, das zu überprüfen, bestünde darin, mich zwei Monate lang rund um die Uhr zu beobachten. Zwei Monate ist so ungefähr das Limit, wie lange eine literarische Figur ohne Unterbrechung außerhalb ihres Buchs bleiben kann. Aber genug davon. Das Wichtigste ist jetzt, das Manuskript zurückzuholen. Dann können wir immer noch darüber nachdenken, wer fiktiv ist und wer real.«
»Gibt es keine schnellere Methode?«
»Ich kenne nur eine: Man kann eine Romanfigur nicht erschießen! Sie verschwinden einfach blitzschnell, und die Kugel geht durch sie hindurch.«
»Klingt wie eine Wasserprobe für Hexen: Unschuldig sind nur die, die ertrinken -«
»Ideal ist die Methode nicht«, sagte Tweed mürrisch. »Das muss ich zugeben.«
Raffles hatte ungefähr dreißig Minuten gebraucht, um die Kombination des Safes zu ermitteln, und wandte sich jetzt dem zweiten Schloss zu. In aller Ruhe bohrte er über dem Einstellknopf der Kombination ein Loch in die Panzertür. Trotzdem erschien das leise Quietschen des Bohrers unseren überreizten Nerven gefährlich laut. Wir starrten ihn beschwörend an und hofften, er würde etwas schneller machen, als uns plötzlich ein Geräusch an der schweren Stahltür der Bibliothek aufmerksam machte. Harris und ich stellten uns links und rechts neben den Eingang und sahen zu, wie sich das große Rad drehte, das die Zapfen aus dem Türrahmen zog. Dann schwang die Tür langsam auf. Raffles und Bunny, die es offensichtlich gewohnt waren, dass sie gestört wurden, hatten leise ihr Werkzeug zusammengepackt und versteckten sich unter dem Schreibtisch.
»Wir werden den Verlegern das Manuskript gleich morgen früh übergeben«, sagte Kaine, als er und Volescamper hereinschlenderten. Tweed trat ihnen mit entsicherter
Weitere Kostenlose Bücher