Thursday Next 02 - In einem anderen Buch
Lavoisier?« sagte mein Vater leise. »Das finde ich ziemlich enttäuschend.«
»Not kennt kein Gebot, Colonel. Wenn Sie sich stellen würden, brauchte ich nicht zu diesen außerordentlichen Mitteln zu greifen. Im Übrigen kommt die Chrono-Garde schon lange nicht mehr ohne Sponsoren aus der Privatwirtschaft aus.«
»Und im Gegenzug machen Sie deren Arbeit?«
»Wie ich schon sagte: Not kennt kein Gebot. Und ehe Sie mir jetzt Korruption vorwerfen, sage ich Ihnen lieber gleich, dass diese gemeinsame Operation von Chrono-Garde und Goliath die volle Unterstützung des Kabinetts hat. Es ist so einfach, dass sogar Sie es verstehen: Stellen Sie sich den Behörden, und Ihre Tochter erhält ihren Gatten zurück, ob sie Goliath nun zufriedenstellt oder nicht. Wie Sie sehen, bin ich heute sehr großzügig.«
Ich sah, wie mein Vater sich auf die Lippe biss. Er rieb sich die Schläfen und seufzte. Seit Jahren hatte er die Korruption bei der Chrono-Garde bekämpft, und obwohl wir Landens Re-
Aktualisierung so nahe waren, konnte und durfte ich nicht zulassen, dass mein Vater unseretwegen seine Freiheit verlor. Wie hatte er noch gesagt? Niemand ist wirklich tot, solange man an ihn denkt. Landen war fest in meinem Gedächtnis verankert, wir würden bestimmt noch eine zweite Chance haben.
Als mein Vater zögernd den Mund öffnen wollte, um seine Niederlage einzugestehen, rief ich laut: »Nein!«
»Nein?« sagte Lavoisier. »Was soll das heißen?«
»Nein«, sagte ich. »Tu's nicht, Vater. Ich werde Jack Schitt rausholen - oder sonst irgendwas.«
Mein Vater lächelte und legte mir die Hand auf die Schulter.
»Pah!« sagte Lavoisier. »Einer so selbstgerecht wie der andere.« Er nickte seinen Männern zu, die ihre Schusswaffen hoben.
Aber mein Vater war schneller. Ich spürte, wie er meine Schulter berührte, und schon waren wir weg. Die Sonne schoss am Himmel empor, während wir einen Zeitsprung nach vorn machten, und ehe Lavoisier begriff, was geschah, waren wir schon ein paar Stunden weit weg.
»Mal sehen, ob wir ihn abhängen können!« murmelte mein Vater. »Von wegen Kabinettsbeschluss, alles Blödsinn. Landens Nichtung war glatter Mord und sonst gar nichts. Wenn ich's mir richtig überlege, sind das genau die Sachen, mit denen ich Lavoisier eines Tages zu Fall bringen werde.«
Tage und Nächte waren nur kurze Lichtblitze, als wir in die Zukunft rasten. Das Merkwürdige war, dass wir uns bei alledem nicht von der Stelle bewegten. Nur die Welt um uns herum wurde älter.
»Wir reisen immer noch ziemlich langsam«, erklärte mein Vater. »Vielleicht überholt er uns einfach. Achte auf -«
Lavoisier und seine Spießgesellen erschienen nur für den Bruchteil eines Augenblicks, als sie auf ihrem Weg in die Zukunft an uns vorbeirasten. Mein Vater bremste abrupt, und ich geriet mächtig ins Stolpern, als wir uns plötzlich wieder mit normaler Zeitgeschwindigkeit vorwärts bewegten. Ein Lastwagen aus den fünfziger Jahren brauste mit lautem Hupen vorbei, und wir entfernten uns von der Straße.
»Was jetzt?«
»Ich glaube, wir haben ihn abgeschüttelt. Oh, verdammt -«
Schon rasten wir wieder der Zukunft entgegen. Lavoisier war zurückgekommen, um uns zu suchen. Wir hatten ihn für einen Augenblick abgeschüttelt, aber jetzt war er genau neben uns und raste mit gleicher Geschwindigkeit wie wir selbst durch die Jahre. Wenn mein Vater bremste, bremste Lavoisier auch; wenn mein Vater beschleunigte, gab auch Lavoisier Gas. Es war eine transtemporale Verfolgungsjagd, bei der die Teilnehmer ständig gleichauf blieben.
»Auf Ihre alten Tricks fall ich nicht rein«, sagte Lavoisier. »Dafür bin ich schon zu lange dabei.«
Kurz darauf erschienen zwei seiner Begleiter und passten ihr Tempo ebenfalls unserer Geschwindigkeit an.
»Ich wusste, dass Sie kommen würden«, sagte Lavoisier triumphierend und kam, während die Zeit vorbeiraste, Schritt für Schritt auf uns zu. Eine neue Straße wurde gebaut, wo wir standen, dann eine Brücke, Häuser und Läden. »Geben Sie auf, Colonel Next! Sie bekommen einen fairen Prozess, das garantiere ich Ihnen.«
Die beiden anderen Chrono-Gardisten sprangen vor und packten meinen Vater an beiden Armen.
»Ich werde dafür sorgen, dass Sie gehängt werden, Lavoisier! Das Kabinett würde eine solche Aktion wie den Mord an meinem Schwiegersohn niemals billigen. Geben Sie Landen sein Leben zurück, und ich verspreche, ich bewahre Stillschweigen über Ihre Verbrechen.«
»Tja, genau darum geht's ja,
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