Thursday Next 04 - Es ist was Faul
ich sollte vielleicht lieber gehen. Ich gab ihr einen Kuss zum Abschied und verließ nachdenklich das Altersheim. Es galt, eine Menge Fragen zu klären. Mein Konto war sicher fürchterlich überzogen, und ich fragte mich, ob ich mich nicht wieder bei SpecOps zum Dienst melden müsste. Waren meine Chancen, Yorrick Kaine zu fassen, nicht sehr viel besser, wenn ich die ganze Autorität von SpecOps hinter mir hatte? Aber würde man mich überhaupt wieder arbeiten lassen? Wahrscheinlich brauchte ich auch einen Sprachtherapeuten für Friday, er konnte ja nicht ewig Lorem Ipsum sprechen. Und schließlich gab es immer noch das größte Problem: Wie sollte ich meinen Mann zurückholen? Ach, Landen! Wie holte man jemand ins Hier und Jetzt zurück, der von einem chronupten Beamten der angeblich unbestechlichen ChronoGarde aus dem Dort und Damals gelöscht worden war?
Als ich mich dem Haus meiner Mutter näherte, wurde ich jäh aus meinen Gedanken gerissen. In einer schmalen Gasse auf der gegenüberliegenden Straßenseite versteckte sich jemand hinter dem Sommerflieder. Ich schlüpfte in den nächstbesten Vorgarten, schlich zwischen den Häusern hindurch in die hinteren Gärten und stellte mich schließlich auf eine Mülltonne, um über den Gartenzaun sehen zu können.
Tatsächlich! Da stand jemand hinter der großen Buddleia und beobachtete das Haus meiner Mutter. Er war viel zu warm angezogen für den sonnigen Sommertag.
Ich glitt auf dem Deckel der Mülltonne aus und machte einen ziemlichen Lärm. Der Spanner sah sich um, erblickte mich und lief hastig davon. Mit einem Satz war ich über den Zaun und rannte ihm nach. Es war einfacher, als ich gedacht hatte. Er war nicht besonders fit, und ich erwischte ihn, als er gerade mühsam eine Mauer zu überklettern versuchte. Ich zog ihn herunter, und dabei fiel die Tasche von seiner Schulter. Eine Reihe von abgeschabten Notizbüchern, eine Kamera, ein kleines Fernglas und verschiedene Ausgaben der
SpecOps-27-Gazette
mit Randbemerkungen in roter Tinte fielen heraus.
»Au, au, lassen Sie mich los!«, rief er. »Das tut weh!«
Ich drehte ihm den Arm um, und er ging in die Knie. Ich war gerade dabei, ihn auf Waffen abzutasten, als ein weiterer, ganz ähnlich gekleideter Mann hinter einem verrosteten Autowrack hervorkam und einen abgebrochenen Ast schwenkte. Ich wirbelte herum und wich dem Schlag aus. Sein Schwung riss ihn weiter, ich stellte ihm ein Bein, und er flog mit dem Kopf zuerst an die Mauer. Bewusstlos sank er zu Boden.
Der erste Mann war unbewaffnet. Also überprüfte ich, ob der zweite Mann ebenfalls ohne Waffe war, und brachte ihn in die stabile Seitenlage, damit er nicht etwa an seinem eigenen Blut oder seinen Zähnen erstickte.
»Also für SpecOps seid ihr zu schlapp«, sagte ich. »In wessen Auftrag arbeitet ihr? Goliath?«
Der erste Mann stand vorsichtig auf, sah mich neugierig an und rieb sich den Arm, den ich ihm verdreht hatte. Er war ziemlich füllig und sah nicht unfreundlich aus. Ich hatte seine Brille zerbrochen, deshalb blinzelte er ziemlich kurzsichtig. Er hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar und ein großes Muttermal am Kinn. Nach Goliath sah er eigentlich nicht aus, aber da konnte man sich sehr täuschen.
»Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Miss Next. Ich habe schon sehr lange auf Sie gewartet.«
»Ich war verreist.«
»Seit Januar 1986. Ich habe fast zweieinhalb Jahre darauf gewartet, Sie einmal zu sehen.«
»Und warum, bitte, haben Sie das getan?«
»Weil ich« – der Mann zog einen Ausweis aus seiner Tasche und reichte ihn mir – »Ihr offizieller Stalker bin.«
Ich warf einen Blick auf den Ausweis. Es war nur allzu wahr; er war mir offiziell zugeteilt worden. Es war hundert Prozent legitim, und ich hatte keinerlei Grund, mich zu beschweren. Das ganze Stalker-System war von SpecOps-33 eingerichtet worden, der Unterhaltungs-Abteilung. Sie hatte mit der Vereinigten Stalker-Gewerkschaft detaillierte Regeln aufgestellt, wer wem hinterherstalken durfte. Auf diese Weise wurde das notorisch düstere Gewerbe endlich geordnet. Außerdem wurden die Stalker nach Fähigkeiten und Ausdauer eingeteilt. Mein persönlicher Stalker gehörte zur Klasse 1, das hieß, er durfte den ganz Prominenten nachstellen. Und genau das machte mich misstrauisch.
»Ein Stalker der Klasse 1?«, sagte ich. »Sehr schmeichelhaft, wo ich selber kaum Klasse 8 bin.«
»So weit oben stehen Sie längst nicht«, sagte mein Stalker. »Sie gehören eher zur Klasse 12. Aber ich
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