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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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betrachtete den kleinen Ausleger am Strand, dessen Segel anklagend im Wind flatterte. »Sie machte mir das wertvollste Geschenk, das ein Mensch einem anderen machen kann, Jerusha: die Wahrheit ... Sie sagte mir, ihr wurde befohlen, hierher zurückzukehren, ein Sibyl sandte sie. Ich verstehe nicht, ich kann nicht glauben, daß es so für sie enden sollte. Was hat das alles zu bedeuten?«
    »Ich weiß es nicht. Nichts.« Jerusha schüttelte den Kopf. »Vielleicht ist alles vergeblich, was wir tun. Aber deswegen müssen wir es trotzdem versuchen, oder? Wir müssen weiter nach Gerechtigkeit streben ... und Rache nehmen.« Sie schlang die Arme um sich und ging zum Patrouillenfahrzeug zurück. Als sie an dem verlassenen Ausleger vorübergingen, kam ihr zu Bewußtsein, daß Arienrhods Schergen Arienrhods Klonkind getötet hatten – und Arienrhod würde es nie erfahren.
     

32
    »Ich machte mir Sorgen um dich, als ich die Sturmwarnung bekam.«
    »War nicht schlimm. Wir haben ihn einfach über uns ergehen lassen.« Lustlos.
    Leises Lachen. »Wie viele meiner Starbucks hätten das sagen können, ohne zu lügen?«
    Funke antwortete nicht, er lag bewegungslos auf dem Bett und betrachtete sich im Spiegel, sah auch sie, die ihn ansah, endlos wiederholt. Arienrhod lag an seiner Seite, die sanften Rundungen ihres Körpers waren die Falten eines Kontinents, der sich über das Meer erhob, eingehüllt in die Schneewehen ihres Haares. Haarfeine Silberkettchen hingen von ihren Hüften herab wie ein Fluß aus Licht. Sie massierte mit langsamen, zärtlichen Fingern ein duftendes Öl unter seine Haut, doch sein Körper reagierte nicht, auch nicht auf ihre intimsten Berührungen, ihre direktesten Andeutungen.
Wie eine Leiche ... helft mir, ihr Götter, ich bin lebendig begraben!
    Arienrhods Hände glitten von seinen Lenden, als seine Muskeln sich versteiften,
rigor mortis.
Sie rollte sich auf den Bauch und legte den Kopf auf seine Brust, von wo sie ihn mit einem besorgten Blick ihrer achatfarbenen Augen betrachtete. Die falschen Augen – als er die Schatten erkannte, die direkt unter der Oberfläche lagen, Klugheit ohne Gnade ... die Augen eines Wechselbalgs, der ihn zum Gefangenen in seinem eigenen Verstand gemacht hatte. Er schloß die Augen.
Aber ich tat es für dich, Arienrhod!
    »Bist du nach allem so müde?« Sie nahm das Außenweltlermedaillon von seiner Brust und spielte damit. Er hörte den Beiklang kühlen Unmuts unter der seichten Oberfläche ihres Mitgefühls. »Oder so gelangweilt? Sollen wir uns zu dritt vergnügen ...?«
    »Nein.« Er legte die Arme um sie und zog sie herunter zu sich, füllte seine Hände mit der seidigen Fülle ihres Haars, küßte ihre Lippen, ihre Augen, ihre Kehle – und fühlte nichts. Nichts! Von nun an würde das Geistermädchen, das aus dem Meer gekommen war, immer zwischen ihnen liegen, wenn sie beisammen waren, und er würde ihre Augen sehen – die richtigen Augen, die einzigen Augen. Sie würden ihn ewig anklagen und blutige Tränen weinen ... »Arienrhod«, sagte er verzweifelt. »Verdammt, ich liebe dich! Du weißt, daß du mir alles bedeutest, alles, was sie je war, und mehr ...« Doch das Wort war ein Seufzen. Seine Hände sanken herab.
    Arienrhod erstarrte auf ihm. »›Sie‹ ...? Wovon sprichst du, mein Lieber? Von unserer Mond?« Ihre Stimme klang leise und sanft wie Wolken. »Kommt sie nach so langer Zeit immer noch zurück und verfolgt dich? Sie ist verschwunden. Wir haben sie vor langer Zeit verloren, du mußt sie vergessen.« Sie liebkoste seine Wangenknochen mit kreisenden Bewegungen ihrer Finger.
    »Bei allen Göttern, ich glaubte, ich hätte sie vergessen.« Er drehte den Kopf von einer Seite zur anderen, um seinem Spiegelbild zu entrinnen, aber es verfolgte ihn beharrlich.
    »Aber warum? Warum mußt du jetzt an sie denken? Fürchtest du dich vor der herannahenden Veränderung? Ich versprach dir doch, daß sie nie kommen wird.«
    »Das ist mir egal.«
Wenn es mir egal ist, mein eigenes Volk zu töten, dann kann mir auch alles andere egal sein.
Er schob sie sanft von sich weg, rollte auf den Rücken und vergrub das Gesicht in den Händen. Sie setzte sich neben ihn, die silbernen Kettchen wisperten auf ihrer Haut.
    »Was dann ...?« mit unverhohlener Wildheit. Sie umklammerte seine Schultern mit ihren Händen. »Du bist mein, Starbuck; ich liebe nur dich auf dieser Welt. Ich werde dich nicht mit einem Sommertraum teilen. Ich werde dich nicht an einen Geist verlieren, nicht einmal,

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