Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
Windes. Jerusha begleitete ihn zum Schweber und flog mit ihm in nördlicher Richtung an der Küste entlang. »Na gut, ich glaube, ich kann dir jetzt die Einzelheiten berichten. Du hattest etwas von den Techschmugglern erzählt, die hier vor etwa vierzehn Tagen gestrandet sind. Du hast vermutet, es seien Schmuggler.« Mit einiger Erleichterung glitt sie wieder in bekannte Verhaltensmuster hinein, bekannte Gewohnheiten, in ihre alte, unkomplizierte Beziehung.
»Halb richtig.«
»Halb?« Sie sah ihn an. »Mußt du mir erklären.«
»Erinnerst du dich noch an die Begleitumstände unserer ersten Begegnung?«
»Ja.« Mit der plötzlichen Erinnerung an Gundhalinus rechtschaffen empörtes Gesicht. »Er hatte dich wirklich festgenagelt.«
»Dein Sergeant.« Er lächelte, dann erinnerte er sich. »Tut mir leid ... deinetwillen.«
»Wenigstens geschah es rasch.«
Und auf mehr Gnade können wir in diesem Leben nicht hoffen.
»Das Mädchen ...?« Mit wachsender Ungeduld.
»Ist das Sommermädchen, das dir den Arm gebrochen hatte. Dieselbe, die mit den Schmugglern ins All verschwand.«
»Sie ist zurück? Wie das?«
»Sie haben sie wieder mitgebracht.«
Jerusha spürte, wie der Schweber in einer plötzlichen Thermik schwankte und bockte, und machte sich an den Kontrollen zu schaffen. »Was bedeutet, daß sie eine illegal Zurückgekehrte ist.«
Und wer weiß, was nicht noch alles.
»Wo war sie in der Zwischenzeit?«
»Kharemough. «
Sie grunzte. »Man sollte es nicht für möglich halten. Sag mir eines, Miroe, bist du ganz sicher, daß es ein Versehen war, durch das sie den Planeten verließ?«
Er zog die Brauen in die Höhe. »Hundertprozentig. Was meinst du damit?«
»Ist dir noch nie aufgefallen, daß Mond Dawntreader Sommer eine verblüffende Ähnlichkeit mit der Schneekönigin hat?«
»Nein.« Völliges Unverständnis. »Ich habe die Schneekönigin schon jahrelang nicht mehr gesehen.«
»Was würdest du sagen, wenn ich dir erzählte, daß die Königin wußte, wer sie war, und daß ihr Verschwinden sie höllisch wütend machte? Ich sagte dir doch bereits, meine Schwierigkeiten begannen damit, daß ich sie entwischen ließ. Was würdest du sagen, wenn ich dir erzählte, daß Mond Dawntreader ein Klon der Königin ist?«
Er fuhr auf. »Hast du Beweise?«
»Nein, ich habe keine Beweise! Aber ich
weiß
es, ich weiß, daß Arienrhod Pläne mit dem Mädchen hatte ... Pläne, aus ihrem anderen Selbst die Sommerkönigin zu machen. Und wenn sie herausfindet, daß Mond zurück ist ...«
»Sie sind nicht dieselbe Person. Das ist unmöglich.« Miroe betrachtete stirnrunzelnd das Meer. »Du hast eine Tatsache bezüglich Mond vergessen.«
»Welche?«
»Sie ist eine Sibylle.«
Jerusha erstarrte, denn die Erinnerung verlieh dem Wort einen doppelten Sinn. »So, ist sie das ... Aber das heißt noch lange nicht, daß ich mich irre. Oder, daß sie keine Gefahr für die Hegemonie ist.«
»Was wirst du jetzt tun?« Miroe wand sich in seinem Sessel, bis er sie ansah.
Sie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Das kann ich erst sagen, wenn wir dort sind.«
»Los, zieht denen hier die Häute ab. Beeilt euch ... kommt eine Weiße ... Schutze der Dunkelheit ...« Die Hunde bellten. Mond spürte das Auf und Ab der Worte wie die kalten Wellen, die über ihre Füße gespült wurden. Sie öffnete die Augen, als Erinnerungen über sie kamen, von denen sie nichts wissen wollte, die sie nicht sehen wollte ... aber sie sah lediglich den Himmel, über den Wolken dahinzogen. Sie bewegte sich nicht, da sie Angst davor hatte.
»Der hier ist tot.«
»... ist glücklich, preiset die Herrin ...! Hab' noch nie so viele Häute gefunden ...«
»Preiset die Schneekönigin!« Gelächter.
»Die hier nicht.« Ein Gesicht erschien im Himmel über ihr, das in Weiß gehüllt war. Es kniete und zerrte sie hoch.
»Schwarz«, hörte Mond ihre eigene Stimme wie die einer Irren murmeln. »In Schwarz. Wo ... wo?« Sie griff hinauf und vergrub die Finger stützend in der weißen Schulter, als sie den Leichnam an ihrer Seite liegen sah ... »Silky!«
Die Gestalt in Weiß schob sie von sich und stand auf. »Schätze, sie ist eine von diesen Mer-liebenden Weibern. Muß den Hund getötet haben, während die Hunde sie nicht ganz fertigmachen konnten.« Die Stimme war männlich und jung.
»Silky ... Silky ...« Mond streckte sich, um die reglosen Tentakel berühren zu können.
»Dann macht ihr sie eben fertig.« Eine barsche, alte Stimme.
Mond rollte
Weitere Kostenlose Bücher