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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Arienrhod das ebenfalls wissen mußte. »Wenn ich ihnen die Wahrheit sage, was ich bin, wenn ich es beweise, dann werden sie zuhören.«
    Arienrhod runzelte mißbilligend die Stirn. »Ich dachte, du hättest die Hingabe an diesen religiösen Mummenschanz verloren, als du weg warst. Es gibt keine Meeresmutter, die dir heilige Worte in den Mund legt, wie auch die anderen zehntausend Götter nur dazu da sind, als Adressaten für die Flüche der Außenweltler zu dienen.« Ein Windstoß tauchte aus dem Schacht herauf, er roch nach Tang, Mond konnte es nicht verhindern, daß sie in ihrem Mantel zitterte. Doch Arienrhod, die in nebelhafte Gewänder aus einer filmähnlichen Substanz gefüllt war, lachte nur über die Furcht im Gesicht ihres Spiegelbildes.
    »Sibyllen sind keine ...« Doch Mond verstummte wieder.
Sie weiß die Wahrheit nicht. Sie kann sie nicht wissen ...
Plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie eine Geheimwaffe in Händen hielt, die sie fast weggegeben hätte. Sie spürte, wie ihr zusammengebrochenes Selbstvertrauen sich erneut manifestierte, bemühte sich aber, das nicht durch ihren Blick zu verraten, aus Furcht, Arienrhod könnte die tiefsten Geheimnisse ihrer Seele erraten.
    Doch Arienrhod war in der Maschinerie ihrer eigenen Entwürfe gefangen. »Ich weiß, warum du eine Sibylle werden wolltest ... weil du keine Königin sein konntest. Aber das kannst du jetzt sein ...« Licht schimmerte hinter der achatfarbenen Transparenz ihrer Augen.
    »Vergiß Sommer! Du kannst dir eine ganze Welt mit mir teilen, eine ewige Winterwelt. Wirf dein Kleeblatt weg und trage eine Krone! Kapp die Taue, die dich noch mit diesen engstirnigen, bigottischen Narren verbinden! Sei frei – frei zu denken und zu träumen!« Sie warf ein unsichtbares Zeichen in den Schacht. Mond spürte, wie die Winde an ihr leckten. »Sie werden dich nie als eine der ihren akzeptieren oder dir zuhören. Es ist sowieso schon zu spät, sie zu retten. Die Räder sind bereits in Bewegung. Du kannst ihr Schicksal nicht mehr aufhalten, du kannst es nicht ändern ... Also akzeptiere es! Regiere mit mir, wie du nach mir reagiert hättest! Zusammen werden wir unseren Traum von einer neuen Welt aufbauen. Wir können es gemeinsam tun, wir können alles teilen ...« Sie hielt ihre Hände ausgestreckt, ihr Gesicht glühte vor Leidenschaft. Mond hob ebenfalls die Hände, von ihrer Nähe in den Bann geschlagen, der unleugbaren Realität ihres eigenen Selbst, ihres originalen Selbst ... geformt nach dem Bildnis ihrer Schöpferin .. .
    »Arienrhod«, sagte Arienrhod.
    Mond wich zurück. Sie erkannte, daß Arienrhod sie überhaupt nicht sah, daß sie nicht verstehen konnte, daß Worte, die verlockend und überzeugend gemeint waren, ihr anderes Selbst verletzten wie Steine. Arienrhods Egoismus sah nur, was sie sehen wollte – nur Arienrhod.
Und damit bist du im Unrecht.
Eine tiefe und unzerstörbare Sicherheit, mehr als ihre Erleichterung, durchlief Mond, als wäre sie, ohne es zu wissen, getestet worden und hätte ihren Wert bewiesen. »Was ist mit Funke?« Sie hörte ihre eigene Stimme, kalt und spröde wie Eis, um Arienrhods Erwartungen zu dämpfen. »Werden wir uns ihn ebenfalls teilen?«
    Arienrhods steinernes Gesicht zuckte etwas, doch sie nickte. »Warum nicht? Könnte ich wirklich auf mein ... Selbst eifersüchtig sein? Könnte ich mir selbst etwas verweigern? Er liebt uns beide, was kann er schon dafür? Warum sollte er es leugnen müssen?« Als müßte sie sich selbst davon überzeugen.
    »Nein.«
    Arienrhod drehte den Kopf verblüfft. »Nein? Nein
was?«
»Nichts mehr.« Mond richtete sich auf, sie spürte die grenzenlose Kraft, die ihr dieses Wort verlieh. »Ich bin nicht Arienrhod. «
     
    »Natürlich bist du das«, sagte Arienrhod geduldig, wie zu einem ungezogenen Kind. »Wir teilen uns die selben Chromosomen, den selben Körper – den selben Mann und den selben Traum. Ich weiß, es wird dir schwerfallen, das zu akzeptieren, da du niemals vermutet hast ... Es hätte niemals so kommen müssen. Aber wie kannst du die Wahrheit verleugnen?«
    Mond wankte, doch die tiefere Sicherheit gewann wieder die Oberhand. »Weil ich weiß, daß Eure Pläne falsch sind. Sie sind falsch. Sie führen nicht zum richtigen Weg.«
    »Warum soll es falsch sein, eine Welt zum Besseren zu verändern, wenn man die Macht hat, es zu tun? Die Macht zur Veränderung, zur Wiedergeburt, zur Neuschöpfung – solche Dinge kannst du nicht von Tod und Zerstörung trennen. Das ist der

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