Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
tun ist.« Sie betrachtete die beiden vielsagend, schlug ihren purpurfarbenen Mantel zurück und öffnete den Kragen. »Sie sind von Ihren Pflichten als stellvertretender Kommandant enthoben, Inspektor.«
»Ja, Ma'am. « Er salutierte erneut, sein Blick verriet ihr, daß sie das nicht mehr lange würde hören können.
Ja, du Hurensohn, bald kommt deine große Stunde.
Der verdammte, unvorteilhafte Bericht des Obersten Richters über sie, verbunden mit Mantagnes' eigenen Ambitionen, würden schon sicherstellen, daß die Aufzeichnungen ihrer Dienstzeit hier so schwarz wie die Leere gezeichnet wurden. Ihre Karriere würde mit diesem Posten beendet sein, ihre Dienstjahre und ihr hoher Rang unter den Teppich offizieller Zensur gekehrt werden. Sie würde niemals mehr die Chance auf einen Kommandantenposten haben, man würde sie zu einem gottverlassenen Außenposten jenseits von Niemandsland versetzen (womit sie grimmig zugestand, daß es noch schlimmere Orte als Karbunkel gab). Und dort konnte sie den Rest ihres Lebens vor sich hinmodern.
Götter, wie ich diese Kharemoughiarroganz satt habe!
Sie verkrallte sich mit den Händen in ihr Cape, während sie zu ihrem Büro ging. Muß
ich mir noch so ein verdammtes dünkelhaftes
Techgesicht ansehen . . .?
Plötzlich erinnerte sie sich an BZs Gesicht.
Noch ein Gesicht.
Dabei hätte sie alles gegeben, dieses Gesicht zu sehen, hier und jetzt. Aber er war nie mit seiner Gefangenen angekommen. Sie hätte es wissen müssen – aber woher hätte sie auch wissen sollen, daß von allen Männern ausgerechnet Gundhalinu mit dem Mädchen durchbrennen würde?
Weil es auf der Hand lag!
Sie hatte in den Unterlagen vermerkt, daß er krank, und daher nicht für seine Taten verantwortlich zu machen war. Und die Götter wußten, das entsprach wahrscheinlich mehr der Wahrheit, als sie zuzugeben bereit war.
Und an diesem Abend hatte sie Funke Dawntreader gesehen, der in aller Öffentlichkeit seine Unberührbarkeit beim Bankett genossen und sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken hatte. Und Arienrhod, wunderschön wie immer – und unberührt wie immer, die sich sicher und unbesorgt unter ihren Untergebenen und Meistern einherschritt – viel zu unbesorgt, wenn man ihr bevorstehendes Schicksal bedachte.
Verdammt! Was hat sie vor?
»Verdammt, was macht der hier?« Sie blieb stehen und betrachtete Mantagnes, dann den Polizeiroboter, der unbeweglich wie ein Baum vor der Eingangstür zu ihrem Büro stand. »Warum vernachlässigst du deine Pflicht?« sprach sie ihn direkt an. Er gab keine Antwort, sie erkannte, daß seine Energie am Ende war.
»Er funktioniert nicht richtig«, sagte Mantagnes ärgerlich. »Kam vor einer Weile hier rein und erzählte eine verrückte Geschichte über seine Winterbesitzerin, die von den Männern der Königin entführt worden sei. Wahrscheinlich nur eine Folge des niedrigen Energieniveaus seiner Batteriezellen. Müßte mal gründlich überholt werden – unwissende Eingeborene so etwas auch nur teilweise selbst warten zu lassen, ist vollkommen absurd?«
»Selbst ›unwissende Eingeborene‹ würden anfangen, sich zu wundern, wenn sie ihre hirnlosen Servomechs wegen jeder losen Schraube zur Polizei bringen müßten.« Sie legte den Energieschalter an der Brust des Roboters mehr aus Zorn als aus Interesse um und sah, wie sich die Leuchtsensoren in den Schädel aus Stahl und Plastik aufhellten. Sie betrachtete seine Identifizierungsplatte. »Einheit ›Pollux‹, wer ist dein Besitzer?«
»Vielen Dank, Kommandant!«
Sie trat verblüfft einen Schritt zurück.
»Bitte hören Sie mich an, Kommandant. Es ist wichtig und ich kann nicht ...
»Ja, ja, beantworte nur meine Fragen!» Sie würde sich nie an die Stimme gewöhnen.
»Mein Besitzer ist Tor Starhiker Winter, Tiamat, weiblich, dem Titel gemäß Besitzerin von Persiponës Hölle.« Er strahlte ungeduldig.
»Du sagtest, sie wurde von den Wachen der Königin angegriffen? Das geht uns nichts an.«
»Nein, Kommandant. Von Außenweltlern. Von ihrem Verlobten ...
»Ein Zank unter Liebenden?«
»... einem gewissen Oyarzabal, einem Angestellten des Kasinos und seinen Kumpanen. Sie rief mich um Hilfe und wurde von ihnen mit einem Stunner niedergeschossen. Ich konnte ihr nicht helfen, weil die Tür verschlossen war. Daher kam ich hierher.«
»Weißt du, warum sie sie angegriffen haben?« Jerushas Interesse wuchs.
»Nicht eindeutig, Kommandant. Vielleicht wurde sie Zeugin einer illegalen Aktivität.«
»Wer kontrolliert
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