Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin
soll.«
»Du kommst zu spät.« Jerusha grinste mit selbstzufriedenem Triumph, doch dann sah sie Monds Gesicht. »Nein ... ich meine, wir haben das bereits verhindert. Wir haben die Schuldigen, die sind derzeit unsere Dauergäste.« Sie deutete zur verschlossenen Zellentür und sonnte sich im warmen Lächeln des Glücks.
»Schon? Es ist vorüber? Sie konnten nicht ...« Mond blickte über die Schulter zum Eingang. Dann wieder zu Jerusha, und plötzlich erkannte sie, daß sie ihre Freiheit wegen nichts und wieder nichts geopfert hatte.
»Nein. Die Sommer sind sicher. Arienrhods Plan ist vereitelt, sie ist unter Hausarrest. Sie wird deiner Herrin schon nicht entkommen.« Ein vorübergehender Streifenpolizist rief ihr Glückwünsche zu, sie nickte.
Mond verzog das Gesicht, als wüßte sie nicht, was sie nun denken sollte, als gäbe es mehr Barrieren vor dem Wissen, als selbst sie durchdringen konnte. »Wie ... wie haben Sie das herausgefunden?« Müde.
»Durch Zufall und mit der selbstlosen Mithilfe von .. .« Sie wandte sich zu Tor Starhiker, die hinter ihr stand.
»Hallo, Kindchen.« Tor hob die Hand, Mond blinzelte erkennend. »He, Pollux, komm her!«
»Persiponë?« Mond betrachtete Tors ungeschminktes Gesicht unsicher. Dann betrachtete sie den näherkommenden Roboter.
»Warum ist sie unter Arrest?« Sie deutete mit dem Daumen auf Mond, etwas zu überzeugt von ihrer wichtigen Rolle als Kronzeuge. »Es ist nicht gegen das Gesetz, wie die Königin auszusehen, oder? Wenigstens nicht gegen euer Gesetz.«
»Das kommt ganz darauf an, wie sehr«, sagte Jerusha. Sie verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Ihr kennt euch?«
»Seit heute. Scheint schon eine Ewigkeit her zu sein.« Tor schüttelte den Kopf und bemühte sich um ein Lächeln. »Schau doch nur, was mit deiner tollen Frisur passiert ist, Polly ... Was ist mit deinem Vetter? Hast du ihn gefunden? Konntest du ihn aus dem Palast holen? Hast du die Königin gesehen ... hat sie dich gesehen?«
»Du warst im Palast?« wollte Jerusha wissen. Die Wand der öffentlichen Anklage verwandelte das Mädchen wieder in eine Gefangene. »Um die Königin zu treffen ...«
Mond spürte Trotz in sich. »Um meinen Vetter zu finden!« Sie blickte rasch zu Tor und nickte errötend. »Sie wissen, was .. . wer ich bin, nicht wahr, Kommandant?«
Jerusha nickte, wahrte aber ihre geistige Distanz. »Das weiß ich schon lange.« Tor schien verständnislos.
»Jeder hat es gewußt – außer mir«, murmelte Mond bitter. »Ich habe es zuletzt erfahren.«
»Ich weiß es immer noch nicht«, sagte Tor dazwischen. »Hat Gundhalinu es dir erzählt?«
»Nein, Arienrhod.« Mond spielte mit einer Locke. Jerusha fuhr auf. »Du hast sie gesehen?«
»Ja«, fast flüsternd. »Sie wollte, daß ich ... alles mit ihr teile. Sogar Funke«, sagte sie kalt. Mond wurde wieder rot, aber diesmal vor Zorn, nicht aus Scham. »Sie sagte, ich sollte vergessen, daß ich ihm versprochen bin, vergessen, daß ich eine Sommer bin, vergessen, daß ich eine Sibylle bin. Und als ich das nicht vergessen wollte, da versuchte sie, mich zu töten.« Die Bitterkeit erreichte ihren höchsten Stand. Jerusha runzelte tief erstaunt die Stirn. Mond rieb sich die Augen und wankte. Jerusha erinnerte sich an alles, was sie durchgemacht hatte, und wieviel davon für Gundhalinu.
»Setz dich! Pollux, bring uns Tee!« Jerusha entließ die wartende Wache und führte Mond am Ellbogen zu einem Sessel an der Wand. Das Mädchen sah sie verblüfft an, doch Jerusha empfand selbst gehörige Verblüffung. Pollux entfernte sich gehorsam durch den Trubel offizieller Geschäftigkeit. Tor nahm sich nicht von der Einladung aus: »Mir kannst du auch nochmal nachfüllen, Polly.«
»Du sagtest, Arienrhod hat versucht, dich zu töten?« Jerusha setzte sich.
Mond ließ sich schwer in den Sessel fallen, etwas von ihr entfernt. Tor räkelte sich lässig am Ende der Bank. »Sie erzählte den Adligen, daß ich eine Sibylle bin, daraufhin versuchten die, mich in den Schacht zu werfen.«
Tor richtete sich kerzengerade auf, sie schien zum erstenmal sprachlos.
»Ihren eigenen Klon?« Doch Jerushas Unglaube verschwand noch, während sie das aussprach.
Ja, das ist die Arienrhod, die ich kenne. Unvergleichlich.
»Ich bin nicht Arienrhod!« Monds Stimme zitterte. »Ich habe nur ihr Gesicht, das ist alles.« Sie strich mit der Hand darüber, ihre Finger waren zu Klauen gekrümmt, als wollte sie es abstreifen. »Und das weiß
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