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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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sorgfältig darauf bedacht, in dem Sturzbach, in den er sich verwandelt hatte, nicht das Gleichgewicht zu verlieren. »Nicht einmal die Herrin kann das beantworten. Hoffentlich hat Funke für sich selbst eine Antwort gefunden, wenn du ihn wiedersehen solltest.«
    Mond folgte ihr dicht auf, doch sie blieb ein paar Schritte zurück, als sie über das unruhige Meer hinweg in Richtung ihrer Heimat blickte.
     

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    »... Und dann wurde ein Teil der Einnahmen des letzten Balls einem Fonds für mich zugeführt, damit ich mich ohne Unterbrechung daran machen konnte, die Masken für den nächsten vorzubereiten ... das war vor fast neunzehn Jahren. Wie schnell doch die Zeit vergeht, wenn sie vom Rhythmus der Tage maskiert wird! Das ist der Rhythmus der Schöpfung, der universellen Schöpfung. Rot-orange-farbene Federn bitte.« Die Maskenmacherin hielt ihm eine Hand hin.
    Funke beugte sich auf dem Hocker vor und griff in einen der Kartons, die zwischen ihnen standen. Er reichte ihr eine Handvoll hinüber. Malkin, ihre langbeinige graue Katze, grapschte mit einer Pfote vorwitzig nach den restlichen, die noch im Karton waren. Funke schob sie beiseite, dann machte er sich wieder daran, Perlenstränge zu sortieren und in die entsprechenden Behälter zu legen. Er sah hin und her, bis ihm von dem Versuch ganz schwindlig wurde, ihr beim Arbeiten zuzusehen, während er selbst arbeitete. »Ich habe keine Ahnung, wie du das schaffst. Wie kannst du nur so viele Masken herstellen, wobei jede einzelne anders aussieht? Wo du doch kaum ...« Er verstummte, da er ungeachtet ihrer Versicherungen immer noch unsicher war.
    »... eine rote Feder von einer grünen unterscheiden kannst?« Sie lächelte und hob den Kopf, um ihn mit den dunklen Fenstern ihrer Augen und dem Lichtsensor an ihrem Stirnband zu betrachten. »Zu Beginn war das auch keinesfalls einfach, das kannst du mir glauben. Aber ich hatte den Wunsch, zu lernen - ich war von dem Drang erfüllt, eigenhändig etwas Wunderschönes zu schaffen. Ich konnte weder malen noch zeichnen, aber das hier ist auch eher mit dem Modellieren vergleichbar, eine Schöpfung von Berührung und Textur. Und diese Begabung ist in der Familie Ravenglass erblich, glaub mir, wie die Blindheit. Blind auf die Welt zu kommen, und dann die Gabe der Halbsicht zu bekommen ... manchmal meine ich, diese Kombination schafft eine erhöhte Vorstellungskraft. Alle Formen sind vage und wunderbar ... man sieht in ihnen, was man sehen will. Ich habe zwei Schwestern, die auch beide blind sind, und die ebenfalls beide einen Laden hier in der Stadt haben. Viele meiner Verwandten tun dasselbe, wenn auch nicht alle blind sind. Man braucht eine Menge kreativer Energie um sicherzustellen, daß es auch für jeden Besucher, der beim nächsten Ball hier in den Straßen tanzen will, eine andere Maske gibt. Und soll ich dir mal was verraten?« Ihr Lächeln drückte deutlich Stolz aus. »Meine sind die besten von allen. Ich, Fate Ravenglass Winter, werde die Maske der Sommerkönigin machen ... Ein Stück roten Samt, bitte.«
    Funke reichte ihr ein Stück Stoff; er befühlte es prüfend mit den Fingern. »Aber diese ganze Arbeit - die Arbeit eines halben Lebens - ist nur für eine Nacht! Und dann ist sie dahin. Wie wirst du damit fertig?«
    »Weil es so bedeutend für Tiamats Identität als eigenständige Welt ist - unser Erbe. Das Ritual der Veränderung fußt auf einer Tradition, die bis weit in die mythische Zeit vor der Hegemonie zurückreicht, als wir von ihrer Existenz noch keine Ahnung hatten ... manches davon stammt noch aus der Zeit, als auch wir hier Außenweltler waren ...«
    »Woher weißt du das?« unterbrach er sie. »Woher weißt du, was geschehen ist, bevor die Erstschiffe aus dem Großen Sturm gesegelt kamen?« Unbewußt glitt er in die Mythensprache zurück.
    »Ich weiß nur, was ich so aufschnappe.« Sie lächelte. »Die Außenweltler haben Archäologen, die die Aufzeichnungen und Ruinen des Alten Imperiums studieren. Die Phantasiegesichter, die ich herstelle, waren einst wirkliche Geschöpfe, die für die Familien der Erstschiffe, die die Vorfahren von Sommer- und Wintervolk sind, völlig normal waren. Vielleicht erkennst du ein paar davon - beim Sommervolk haben sie noch ihre Bedeutung. Dein Schiffsname, Dawntreader, ist einer des ursprünglichen Dutzends Namen, wußtest du das?« Funke schüttelte den Kopf. »Aber als die Hegemonie kam, da lehrten sie uns die Scham angesichts unserer ›primitiven‹ Traditionen, daher

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