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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Suite, um sich zum Saal der Winde zu begeben, wohin Arienrhod sie beordert hatte. Das hatte ihn überrascht, aber er hatte nichts gesagt. Die Adligen und Diener, die ihm unterwegs begegneten, bedachten ihn mit nervösen Blicken und gingen ihm aus dem Weg. (Sogar die Adligen begegneten ihm sonst immer mit dem ausgesuchtesten Respekt, obwohl sie in seinen Augen nur elende verweichlichte Nichtsnutze waren.) Sie alle wußten, daß es eine Duellforderung gegeben hatte und heute der Austragungstag war, wenn auch keiner je erfahren würde, wer der Herausforderer war – oder der Nachfolger, wenn es sich auch jeder denken konnte.
    Mit welcher Waffe es der Junge wohl versuchen würde? fragte er sich. Eine elektrische Spannung kribbelte in seiner Hand. Er entspannte sie. Diese Duelle waren etwas, was kein ehrbarer Winter zugeben wollte, und doch existierten sie in dieser Hemisphäre: Überbleibsel aus dem dunklen Zeitalter, bevor die Hegemonie wieder Licht zu dieser abgelegenen Welt gebracht hatte, einem Zeitalter, als die Königin für ihr Volk tatsächlich noch die Repräsentantin der Meeresmutter gewesen war und Männer sich um ihre Gunst stritten – wie sie beide es jetzt tun würden. Die Tatsache, daß es ein Relikt aus unzivilisierter Vorzeit war, kümmerte ihn nicht. Es gefiel ihm, sich mit anderen zu messen, um sich und Arienrhod, und allen anderen, die es interessierte, zu beweisen, daß er der bessere Mann war als derjenige, der sich mit ihm angelegt hatte. Nicht nur der Stärkere, auch der Klügere. Deswegen hatte er immer gewonnen, und würde immer gewinnen. Obwohl er auf Karemough als Unklassifizierter geboren wurde und die ganze Welt auf ihn herabgesehen und ihn angespuckt hatte, hatte er sich doch aus der Gosse hocharbeiten können und hatte nun eine Position der Macht inne, wie sie der bestbezahlte Technokrat auf Karemough niemals erringen konnte. Er hatte alles, was sie auch hatten, ja, mehr noch – er hatte das Wasser des Lebens. Wie viele opferten ihr ganzes persönliches Vermögen, um ihren Alterungsprozeß um einen Tag, eine Woche, einen Monat hinauszuzögern? Er konnte täglich aus dem Jungbrunnen trinken – das brachte seine Position mit sich.
    Solange er Arienrhod geben konnte, was sie wollte, konnte auch er bekommen, was er wollte, und er mußte niemals altern. Und solange er seine Position halten konnte, konnte kein Rivale ihm das streitig machen.
    Er erreichte den Audienzsaal. Er war verlassen, weiträumig und still, als hielte er selbst den Atem an. Er ging quer hindurch, ohne die majestätische Stille zu stören. Er fragte sich, wie es sein mochte, einhundertundfünfzig Jahre lang die Macht in Händen zu haben, so wie Arienrhod. Was mochte es bedeuten, auch nur so lange zu leben, die Rückkehr der Außenweltler und das erneute Aufleben der Winterkultur miterlebt zu haben – am Wiederaufbau der Zivilisation beteiligt zu sein, um sich dann ihre erlesensten Früchte pflücken zu können? Er hätte zu gerne gewußt, wie ein Mann – oder eine Frau – sich nach alledem fühlen mochte. Und dann fragte er sich plötzlich, ob er nach einer solchen Lebensspanne nicht auch Verständnis für Arienrhods wechselhafte Launen haben würde.
    Er hatte schon seit langem den Überblick über die Anzahl der Frauen verloren, die er gekannt hatte, von hochgeborenen Techs bis zu Sklavinnen. Die meisten hatte er gehaßt, wenige für seine Zwecke benützt, höchstens eine oder zwei respektiert; gevögelt hatte er sie alle, geliebt hatte er keine von ihnen. Er hatte nie einen Beweis dafür erhalten, daß Liebe mehr war als nur ein Wort. Nur Schwächlinge und Verlierer glaubten an die Liebe oder an die Götter .. .
    Aber so etwas wie Arienrhod war ihm noch niemals zuvor begegnet. Sie war ebensosehr Frau wie Element, ihre Anziehungskraft setzte sich aus allen Dingen zusammen, die er begehrenswert fand. Sie hatte ihn zum unfreiwilligen Gläubigen an seine eigene Verwundbarkeit gemacht, und als Folge davon war er fast bereit gewesen, an die Macht seltsamer Götter zu glauben – oder seltsamer Göttinnen. Ohne sie hätte er keine hundertundfünfzig Jahre Zeit gehabt, ihre Geheimnisse zu lüften, Spaß und Freude zu haben, selbst wenn er gewollt hätte. Ihm blieben nur noch fünf Jahre, bis er diese Welt verlassen mußte – oder sterben. In fünf Jahren, bei der Veränderung, würde sich alles ändern, und Arienrhod würde sterben – und er mit ihr, wenn er sich nicht beizeiten aus dem Staub machte. Er liebte sie, er, der

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