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Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin

Titel: Tiamat-Zyklus 1 - Die Schneekönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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bald nicht mehr ertragen. TJ war meine Stärke, Silky, und der ist nicht mehr bei uns.« Sie spürte ein feines Zittern, das das Schiff durchlief. Als sie wieder aufblickte, sah sie keine Sterne mehr auf dem Schirm, nur noch den rötlich-düsteren Höllenschein, der ihnen den Weg zum Untergang wies. »Sie kontrolliert die Feldstabilisatoren, Silky, sonst würden wir jetzt schon Purzelbäume schlagen. Ich wußte, daß sie uns halten kann!«
    Aber was, wenn es ihren Verstand zerstört?
Wenn dem Mädchen deswegen etwas geschah, würde sie sich das nie verzeihen. Niemals. In den wenigen Tagen ihrer Anwesenheit unter ihnen, hatte sie alles in neues Licht gerückt, woran TJ geglaubt hatte. Da sie flexibel und unabhängig war, hatte sie sich rasch von dem Schock ihrer abrupten Trennung gelöst und die Möglichkeiten durchdacht, die sich ihr hier boten. Wenn sie den adretten, ansprechenden Sprunganzug trug, nicht ihre groben, handgefertigten Kleider, konnte niemand erkennen, daß sie nur eine Bürgerin zweiter Klasse der Hegemonie war, und man urteilte immer nur nach dem eigenen Wissen. Die Sibyllenmaschinerie einer Zivilisation mit wesentlich größerem Wissen hatte sie beurteilt und sie als wertvoll eingestuft.
    TJs Traum war es gewesen, daß eines Tages alle Lebewesen gleiche Chancen haben würden, ihr Potential zu erfüllen. Deshalb hatte er begonnen, gegen all ihre Proteste, er würde zum gemeinen Schmuggler werden, verbotene Waren nach Tiamat zu bringen. »Es gibt solche und solche Schmuggler, mein Herzblatt«, hatte er immer gesagt und gegrinst, und sie hatte gewußt, kein Mensch konnte die innere Stimme zum Verstummen bringen, die ihn antrieb ... nicht einmal sie.
    Die Hegemonie verhinderte durch Restriktionen und Embargos, daß Tiamat eine eigenständige technische Basis schaffen konnte (sie erinnerte sich immer noch an die endlosen Streitgespräche in ihrer Kabine), sie ließ die Bewohner in einem Stadium verharren, in dem sie bestenfalls Kindern glichen, denen man hin und wieder ein ausgewähltes Spielzeug gab, die ihre Meister dann später ohne Gefahr wieder vernichten oder ihnen wegnehmen konnten. Und alles um dieser wertvollen Obszönität willen, dem Wasser des Lebens, das den Mächtigen und Reichen der Hegemonie die Hoffnung auf das ewige Leben gab.
    Wenn Tiamat aus sich heraus eine eigenständige technologische Grundlage entwickeln würde, wenn man das Volk während des Jahrhunderts erzwungenen Rückzugs ohne Einwirkung von außen reifen und wachsen ließe, wer weiß, was die Hegemonie vorfinden würde, wenn sie wieder dorthin zurückkehrte? Eine Welt, die ihr die Stirn bieten konnte, die nicht mehr nach technischen Spielzeugen lechzte, weil sie sie inzwischen selbst hervorbringen konnte – eine Welt, die es vorzog, die Unsterblichkeit für sich zu behalten, weil sie die Ausbeutung satt hatte? Oder eine Welt, die erkannt hatte, daß ihre eigene Ausbeutung der Mers unmoralisch war – oder noch schlechter: eine Welt, die sich, wie damals Caedw, in einen radioaktiven Glutball verwandelt hatte? Tiamat hatte etwas, das keine andere Welt bieten konnte, aber das war mehr ein Fluch als ein Segen.
    Diese Situation hatte TJ als untragbar abgelehnt. Und da sie gewußt hatte, daß sie ihn nicht aufhalten konnte, war sie mit ihm gegangen, wie schon so viele Male zuvor, nicht imstande, ihm einen Wunsch abzuschlagen. Am Ende war sie immer von seiner Hingabe überzeugt gewesen, und nach seinem Tod hatten Silky und sie seinen Kreuzzug fortgesetzt, denn das war das einzige, das nach seinem Hinscheiden noch eine Bedeutung für sie in der Welt hatte.
    Nun hatte der Zufall das Mädchen Mond auf ihren Lebensweg geführt, wie um zu beweisen, daß sich alles ausgezahlt hatte – das Abbild des Kindes, das sie und TJ nie gehabt hatten. Er
wäre
stolz gewesen.
Es würde keine Bürde sein, die Wächterin über Monds neues Leben zu werden, eher ein Privileg ..
    Elsevier verspürte einen übelkeiterregenden Sog, als die unwiderstehliche Gewalt der Raumkrümmung an ihrem hilflosen Körper zerrte. Auch wenn die Schutzfelder auf Hochtouren liefen, konnte das Schiff sie nicht völlig vor den Nebenwirkungen schützen. Wieder betrachtete sie das glühende schwarze Herz.
Oh, Himmel, ich bin noch nicht bereit. Es passiert zu schnell und hält zu lange an.
Wenigstens Mond blieb die Hitze und der Schmerz erspart, denn ihr Verstand wurde irgendwo, am anderen Ende der Galaxis, festgehalten ...
Ich hätte es nie getan, nur für Cress ... Nur für

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