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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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Funke bückte sich nach seinem Bündel mit Ausrüstung.
    »Ich möchte mitkommen«, sagte Tammis plötzlich. Verblüfft starrte sein Vater ihn an. »Warum?«
    »Ich hatte immer Angst, wenn iah über den Rand guckte«, murmelte Tammis. »Trotzdem war ich neugierig, was da drunten sein mochte.« Jetzt schien er sich nur noch davor zu fürchten, abgewiesen zu werden.
    Funke legte ihm die Hand auf die Schulter. »Vielleicht das nächste Mal«, sagte er. »Es könnte gefährlich sein, wir wissen nicht, was uns da unten erwartet.«
    »Du hast doch auch keine Angst, daß dir etwas passieren könnte«, hielt Tammis ihm entgegen.
    Funke lachte. »Im Gegenteil. Ich will mir nicht auch noch Sorgen um dich machen müssen. Ich hätte doppelt soviel Angst um dich wie um mich.«
    Tammis lächelte, was er nicht oft tat. »Ich bin siebzehn, Da«, sagte er leise. »Könnten wir nicht gegenseitig auf uns aufpassen?«
    Funke wollte den Kopf schütteln, doch Ngenet meinte: »Laß ihn mitkommen. Ursprünglich wollten wir ja eine dritte Person mitnehmen. Wenn er bei uns ist, ist er sicher.«
    Funke blickte zum Rand der Grube hin, und erinnerte sich, wie sie zuvor gewesen war ... Das Brüllen und Stöhnen des Windes konnte man schon von fern hören. An diesem Ort hatte der Tod gelauert. Plötzlich sah er wie in einer Vision sich selbst, auf der Brücke stehend, und mit Herne, dem früheren Starbuck der Winterkönigin, um Arienrhod kämpfend. Er war erst siebzehn, und das Duell ging auf Leben und Tod.
    »Also gut«, gab er nach, als er wieder in die Gegenwart zurückkehrte. »Also gut, er kann mitkommen.« Er dachte sich, wenn Tammis erst einmal sähe, was sich wirklich tief unten im Schacht befand, würde er die Brücke nicht länger überqueren wie ein zum Tode Verurteilter. Vermutlich erginge es ihnen allen ähnlich; denn wenn sie freiwillig in die grünbeleuchtete Finsternis hinabstiegen, würden sie alle ihre Scheu und unausgesprochenen Ängste verlieren. Er wandte sich an Tammis, der ihn halb eifrig, halb unsicher anschaute. »Du bleibst zwischen uns oder in der Kabine, falls dir schwindelig werden sollte.«
    Tammis nickte und machte ein resolutes Gesicht. »Versprochen.«
    Funke schaute noch eine Weile länger in seine Augen, die wie klare Fenster waren und den Blick auf eine Seele gewährten, die noch frei war von Bitternis und Enttäuschung. So mußte er selbst ausgesehen haben, als Arienrhod ihn das erste Mal erblickte. Wortlos wandte er sich ab. Er führte Ngenet und Tammis zu der bereitstehenden Kabine, um die sich Menschen scharten. Die einzige Person, die er dort zu sehen wünschte, Mond, war jedoch nicht da.
    Er fragte sich, wieso sie diesen Ort mied. Weil sie schlechte Erinnerungen daran hatte? Oder steckte viel mehr dahinter, ein Geheimnis, das mit den riesigen Fenstern hoch droben in der Kuppel zu tun hatte, die sich wie durch ein Wunder auf ihren Befehl hin geschlossen hatten?
    Doch er glaubte so wenig an Wunder, wie er noch an die Existenz der Meeresmutter glaubte. Eher leuchtete es ihm ein, daß seine Frau an einer psychischen Störung litt, wie Kirard Set es bei der letzten Ratssitzung versteckt angedeutet hatte; vielleicht war in dem trancegleichen Transfer, den er in jener Nacht miterlebt hatte, etwas schiefgegangen. Ihm fiel wieder der Sibyl ein, der den Anfall gehabt hatte. Er spähte zu den Windvorhängen hinauf, die jetzt still und staubig von der Kuppel hingen, und erinnerte sich, daß sie sich früher gebauscht und gebläht hatten wie gigantische Segel im Sturm. Jetzt erinnerten sie ihn an Leichname.
    Hastig senkte er den Blick, als das morbide Bild seinen Kopf füllte. Er schaute zum Treppenaufgang hin, der in den Palast führte, doch er war leer. Angestrengt verdrängte er die Vergleiche, die ihm in den Sinn kamen, und sich in sein Herz einnisten wollten. Es gab viele Arten des Todes, was konnte nicht alles sterben – die Unschuld; die Liebe, die zwei Menschen miteinander verband; gegenseitiges Vertrauen; all das hatte er selbst erlebt, in diesen gespenstischen Hallen.
Mond, wer bist du? Ich kann dich nicht mehr erreichen.
    Er merkte, daß viele Gesichter ihn erwartungsvoll ansahen. Die Zuschauer machten ihm Platz und gaben die offenstehende Einstiegsluke der Aufzugskabine frei.
    Jerusha PalaThion musterte Tammis mit einem langen Blick und schaute dann ihren Mann an. Ngenet zuckte die Achseln und nickte. »Weiß Mond davon?« wandte sie sich an den Jungen. Tammis schüttelte den Kopf, und ihre Mundwinkel

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