Tief im Hochwald - Kriminalroman
das Versteck finden zu können. So was mache ich aber nicht, weil ich mit dem Computer nicht gut genug zurechtkomme. Außerdem müsste ich mehr Zeit bei Ursula verbringen, als mir lieb ist, nicht, dass sie denkt, ich sei ihr etwas schuldig.« Hajo lächelte schuldbewusst. »Ein Multicache hingegen besteht sozusagen aus vielen kleinen Caches, die sich alle ergänzen. Ich habe die Koordinaten des ersten Verstecks, und da finde ich entweder die Koordinaten des nächsten Verstecks oder einen Teil der Koordinaten des Finals.«
Wieder nur verständnislose Gesichter am Tisch.
»Jonas hat mir das genau erklärt, ich verstehe schließlich gar nicht so viel Englisch. Also, diese Dosen, in denen man sich eintragen oder Dinge zum Tauschen finden kann, gibt es immer nur am Final. Der Traditional besteht sozusagen nur aus dem Final, aber bei einem Multi muss man meistens verschiedene Etappen suchen, bis man die Lage des Finals aus den Lösungen der einzelnen Aufgaben zusammengebastelt hat. Und wenn der Tote keine Cachebeschreibung dabeihatte, kann er schon mal nicht auf dem Weg zu einem Multicache gewesen sein, sonst hätte er die Unterlagen für unterwegs gebraucht. Er hätte sich Notizen machen müssen oder hätte die nächste Station schon in der Beschreibung gehabt, um die danach eingeben zu können. Falls er tatsächlich cachen wollte, war sein Ziel schon in seinem Gerät gespeichert.«
Vanessa wurde ganz aufgeregt. »Dann könnten Sie uns folglich zeigen, wo dieser Cache liegt? Und wenn ich Sie richtig verstanden habe, besteht die Möglichkeit, dass Martin Winter schon auf dem Rückweg von seinem Cache war, und demnach hätte er sich in dieses Logbuch mit Datum und Uhrzeit eingetragen? Das könnte den Todeszeitpunkt eventuell erheblich eingrenzen.«
Hajo kratzte sich den kurz geschorenen Kopf. »So wie es im Moment schüttet, brauchen wir gar nicht erst zu versuchen, uns den Fundort anzusehen. Bei dem Wetter schaffen Heiner und ich mit unserem Gewicht und Sie mit Ihren Schuhen den Felsenweg nie. Sollten wir nicht erst einmal im Internet recherchieren? Ich weiß leider nicht, wie man auf der Internetseite sucht, das macht Jonas immer für mich, aber grundsätzlich denke ich, wenn Sie mir helfen, müssten wir das schon zusammen hinbekommen. Kann ich aber erst noch einen Kaffee trinken und ein Brötchen essen? Allein frühstücken mag ich nicht, darum frühstücke ich normalerweise nie, aber wenn ich schon mal Gesellschaft habe …«
»Dann kann ich auch noch in Ruhe austrinken, aber danach sollten wir uns beeilen«, antwortete Vanessa.
Die Wirtsstube füllte sich. Draußen regnete es in Strömen, und man traf sich im Trockenen, um zu überlegen, wie es mit den Planungen weitergehen sollte. Selbst der Organist Jürgen Rommelfanger war da und erzählte gerade, dass sie die Kirmes am nächsten Wochenende zu einem Klassentreffen nutzen würden.
»Schon fünfundzwanzig Jahre aus der Grundschule raus, wir werden tatsächlich alle alt«, sagte er und strich sich über das schütter werdende Haar. »Wir dachten uns, zur Lutwinus-Kirmes sei ein schöner Termin. Ich bin tatsächlich der Einzige aus der Klasse, der noch in Hellersberg wohnt, alle anderen sind inzwischen weg von hier.«
»Haben Sie das Klassentreffen organisiert?«, erkundigte sich Rolf Trost, der Künstler. »Ich stelle mir das sehr aufwendig vor, alle Adressen herauszufinden und die Leute zusammenzutrommeln.«
»Nein, organisiert hat das ein Klassenkamerad, der mittlerweile in Hermeskeil wohnt. Er recherchiert viel im Internet und hat auf dem Weg einige der Ehemaligen gefunden. Die meisten Verwandten wohnen auch immer noch in Hellersberg, ich glaube, er hat sich erst einmal an die gewandt. Darum war es auch eine gute Idee, das Treffen auf das Kirmeswochenende zu legen. Da kommen sowieso fast alle nach Hause, um nach dem traditionellen Familienessen dem ganzen Dorf zeigen zu können, dass nach wie vor alle im Kreise der Familie zusammenkommen. Unser Klassenlehrer Herr Scherer ist im letzten Jahr gestorben, und die Sportlehrerin ist in Urlaub, aber unsere alte Religionslehrerin kommt, die Frau Ostermann. Erinnern Sie sich an die?«
Mit einem bitteren Auflachen nickte Rolf Trost kaum merklich. »Wer könnte Elfriede Ostermann vergessen? Lebt sie auch noch in der Nähe?«
»Ich bin nicht ganz sicher, ob sie in Holzerath oder in Kell wohnt, aber es ist irgendwo im näheren Umkreis. Sie wohnt bei ihrer Tochter.«
»Tja, der alte Scherer war schon in Ordnung«,
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