Tief im Hochwald - Kriminalroman
erklimmen müssen, oder?«, fragte Vanessa.
»Aber nicht, solange es weiterhin so schüttet, der Weg ist viel zu glitschig, da müssen wir noch warten«, bremste Landscheid sie.
»Stört es euch, wenn ich mal eben meinem Enkel schreibe, was hier passiert ist?«, erkundigte sich Hajo. »Ich muss es immer ausnutzen, wenn ich eine Gelegenheit bekomme, einen Computer zu benutzen, ohne Ursula darum bitten zu müssen. In letzter Zeit rückt sie mir ein wenig zu offensichtlich auf die Pelle, und mir gehen langsam die Ideen aus, wie ich sie auf Abstand halten kann. Ich wollte schon eine ansteckende Krankheit vorschützen, aber ich fürchte, dass sie daraufhin einen unglaublichen Helferinstinkt entwickeln und ich sie gar nicht mehr loswerden würde.« Hajo wirkte in seiner Verzweiflung auf Vanessa wie ein pubertierender Jugendlicher, was ihn durchaus sympathisch machte.
»Solange ich in Hellersberg bin, können Sie gern meinen Laptop benutzen«, bot sie hilfsbereit an. »Aber jetzt können Sie erst einmal diesen Rechner nehmen, wir haben ja einen zweiten Computer nebenan, an den wir uns setzen können.«
Während Vanessa und Landscheid sich abermals in das hintere Büro zurückzogen, tippte Hajo eine E-Mail an Jonas. Es dauerte eine ganze Weile, bis kein Tastengeklapper mehr zu hören war.
Hajo trat zu ihnen und musterte Vanessa. »Frau Kommissarin, welche Schuhgröße haben Sie?«
Vanessa sah auf ihre weißen Pumps, die dreckig waren vom Matsch einer Pfütze zwischen dem Gasthof und der Polizeiwache. »Normalerweise neununddreißig, warum?«
»Meine Katharina hatte auch neununddreißig, vielleicht habe ich zu Hause ein paar bessere Schuhe für Sie. Und eine dickere Jacke. Ich gehe rüber in die ›Post‹, esse eine Kleinigkeit und höre mir mal an, wie die Planungen vorankommen. Wenn Sie fertig sind, könnten Sie mich vielleicht abholen und mit zu mir nach Hause kommen? Dann sehen wir mal in Katharinas alten Kleiderschrank, den habe ich nach ihrem Tod nicht mehr angerührt.«
Obwohl es Vanessa einerseits schauderte, die Kleidung einer Verstorbenen anzuziehen, gefiel ihr der Gedanke, in ihre alte Wohnung fahren zu müssen, um sich etwas zum Anziehen zu holen, noch viel weniger.
»Danke für Ihr Angebot, ich komme darauf zurück. Im Moment können wir hier sowieso nicht viel machen. Wir haben die Kollegen in Trier um Verstärkung gebeten, aber die sind zu einer Dienstveranstaltung in Mainz und werden uns erst Montag wieder zur Verfügung stehen. Ich denke, wir werden mit den Kollegen im Saarland telefonieren, und danach komme ich vorbei«, stellte sie Hajo in Aussicht.
Der Regen hatte sich in ein leichtes Tröpfeln verwandelt, sodass die meisten Helfer für die Kirmes und den Wettbewerb draußen aktiv geworden waren. Mit Gummistiefeln, Regenjacken und -mänteln ausgerüstet, wurde gehämmert und geschraubt, gepflanzt und geplant. Hajo blieb einen Moment im Schutz des Bushäuschens stehen und beobachtete das Treiben auf dem Kirchplatz. Es würde einerseits die schönste Kirmes werden, die Hellersberg je gesehen hatte, weil der ganze Ort sich herausputzte wie für eine Hochzeit, andererseits würde es ganz schön stressig werden, nach der Kirmes alles wieder abzubauen, damit man pünktlich den Handwerkermarkt aufbauen könnte. Aber der Termin der Kirmes stand zwangsläufig fest, weil sich der Namenstag ihres Schutzpatrons, des heiligen Lutwinus, eben nicht verschieben ließ. Auch hatte die Kommission nicht nachgefragt, wann es Hellersberg recht wäre, begutachtet zu werden, sondern es war ein Termin mitgeteilt worden und fertig. Gegenwärtig konnte die Gemeinde einmal zeigen, wie viel Gemeinschaftssinn sie hatte. Vor der Kirche stand der Bildhauer Rolf Trost im lebhaften Gespräch mit dem Kunstschmied Franz Schuster. Der ältere Schuster blickte zu dem größeren Trost hinauf und schien ihm zu erklären, warum es wichtig sei, dass sein Stand genau dorthin kam, wo sie beide gerade standen. Laut schallten die Stimmen der beiden bis zu Hajo.
»Ich werde ein Schmiedefeuer aufbauen und vor Ort einige kleinere Kunstgegenstände schmieden. Gerade Gartenstecker erfreuen sich inzwischen größter Beliebtheit. Ein Blatt, eine Spirale, ein Haken, an dem man eine Blumenampel aufhängen kann … Die Leute lieben solche Dinge. Und das werde ich zu erschwinglichen Preisen anbieten. Aber ein Schmiedefeuer wird heiß, da kann ich nicht jeden beliebigen Stand nebenan haben. Wenn da Ursula Greimerath ihren Apfelkuchen anpreisen
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