Tief im Hochwald - Kriminalroman
erinnert werden, die möchten nicht, dass wir darin wühlen und alles wieder an die Oberfläche bringen. Das sind Menschen, die ganz viel Hilfe und Fürsorge benötigen, aber das können wir gar nicht leisten. Wir sind von der Mordkommission, wir müssen Morde aufklären – und vor allem Morde verhindern«, stöhnte Vanessa.
»Ich werde morgen ein paar meiner ehemaligen Klassenkameraden anrufen«, schlug Johannes vor. »Das heißt, ich könnte auch sofort damit anfangen, sofern du deinen Laptop dabeihast. Ich habe die aktuellen Adressen nicht, die müsste ich im Internet suchen.«
Vanessa schüttelte erschöpft den Kopf.
»Ruf Jürgen Rommelfanger oder Matthias Zimmer an. Die werden dir sicher mit einer Liste helfen können«, sagte Hajo.
Johannes sagte, er wolle zuerst Rommelfanger anrufen, nahm sein Rotweinglas und ging nach draußen in den Flur. Im folgenden Gespräch klang Johannes erst aufgebracht, mit einem Mal schwieg er und hörte nur noch zu. Als er wieder ins Wohnzimmer kam, war er blass.
»Jürgen auch«, seufzte er nur und setzte sich auf den Sessel, zog die Beine an und machte sich ganz klein.
»Was hat er erzählt?«, fragte Vanessa vorsichtig.
»Ich habe ihn gebeten, mir ein paar Telefonnummern zu geben, da wir gerade über Udos Tod gesprochen hätten und ich ein paar der Klassenkameraden dazu befragen wollte. Da meinte Jürgen, die Gründe lägen doch auf der Hand. Es seien die gleichen Gründe, aus denen die Zwillinge ausgetickt und einige andere so weit von Hellersberg weggezogen seien. Ich habe ihn gefragt, warum er denn zurückgekommen sei. Er hat mich beschimpft, dass ihm nichts anderes übrig geblieben sei nach dem Schlaganfall seiner Mutter. In seiner alten Pfarrei seien Gemeinden zusammengefasst worden, er wäre vermutlich in Kürze wegrationalisiert worden. Seine Wohnung war nicht geeignet für die Betreuung eines Pflegefalls, sonst hätte er seine Mutter irgendwie zu sich geholt. Wirklich viel verdient so ein Kirchenmusiker wohl nicht, und finanziell ist es für ihn selbstverständlich das Beste, die Miete zu sparen, während er in seinem Elternhaus wohnt.«
»Konnte er dir sonst noch etwas sagen? Ich meine, das ist ja schon eine Menge, aber wusste er Genaueres?«, fragte Vanessa.
»Er denkt, dass wir Oliver Schmidt mit ziemlicher Sicherheit ausschließen können, weil der evangelisch sei und somit mit dem Pastor nichts zu tun gehabt habe. Er hat mir zugesagt, sich morgen nach der Messe kurz mit dir zusammenzusetzen und die Namensliste mit dir durchzugehen. Soll ich noch weiter telefonieren, oder möchtest du seine Einschätzung morgen abwarten?«
»Ich denke, du hast dir für heute genug aufgeladen, du solltest dir nichts mehr anhören müssen, bevor du nach Hause fährst. Sonst bist du unterwegs so in Gedanken, dass dir auf der Fahrt etwas zustößt«, appellierte Hajo an seinen Sohn.
»Ich wollte ehrlich gesagt hier schlafen«, gestand Johannes matt. »Warum sollte ich nach Trier fahren? Lenny versteht mich sowieso nicht. Ich fahre heute eine halbe Stunde heim, morgen wieder eine halbe Stunde zurück, da bleibe ich lieber bei dir und führe mal wieder ein echtes Gespräch. Es tut gut, endlich einmal wieder zu Hause zu sein. Und die Teilnahme an der Beerdigung von Oma Jungblut lasse ich mir bestimmt nicht nehmen.«
Hajo stand auf, schloss eine Glastür des alten Wohnzimmerschranks auf und nahm drei Cognacschwenker und eine Flasche Apfelbranntwein heraus.
»Ist zwar nicht ganz so gut wie der berühmte Calvados, aber für unsere ungeübten Zungen reicht er«, urteilte er und goss großzügig ein.
»Ich muss noch fahren«, protestierte Vanessa, aber Hajo winkte ab.
»Was denkst du denn, wer heute Abend eine Alkoholkontrolle machen könnte? Heiner etwa? Und solltest du im Graben landen, holen wir dich mit dem Traktor wieder raus und verzichten auf die Polizei. Das geht im Hochwald so, seit es Autos gibt.«
»Stell dir vor, was im Dorf los wäre, wenn ich alkoholisiert einen Unfall hätte. Oder wenn ich diese kopulierenden Pandas auf der Kreuzung über den Haufen fahren würde.« Sie lachte laut auf bei dem Gedanken. »Nein, ich glaube, das kann ich mir nicht leisten.«
»Ich glaube, dein Fiat könnte dem Pandamännchen unterlegen sein, ich würde es nicht ausprobieren«, empfahl Johannes und prustete los. Die Anspannung des Abends schien sich in seinem Lachen Bahn zu brechen, er weinte und lachte gleichermaßen.
Hajo verteilte die Gläser und prostete den beiden zu.
»Wir
Weitere Kostenlose Bücher