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Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde

Titel: Tief im Wald und unter der Erde - Winkelmann, A: Tief im Wald und unter der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Vergewaltigungen und Ermordungen von Mädchen und Frauen in den letzten Jahren: Für die Ermittlungen, die stets ausführlich von der Presse begleitet wurden, bekam sie alles, was sie wollte. Hauptsache, der Fall wurde schnell aufgeklärt und im schlimmsten Fall schnell eine Leiche und ein Mörder gefunden. Deshalb hatte die Landesregierung die Ermittlungsgruppe Vermisste ins Leben gerufen. Nicht das normale Morddezernat sollte sich mit diesen Fällen beschäftigen, sondern speziell geschulte Beamte unter der Leitung einer Frau. Schließlich waren die Opfer meistens Frauen, und in den Medien, deren Bilder heutzutage alles bestimmten, machte es sich besser, eine kompetente, einfühlsame Beamtin als Einsatzleiterin präsentieren zu können. Nele war es egal, welche Politik dahinterstecken mochte, dass sie – noch relativ jung – diese Position bekommen hatte. Sie war gut in dem, was sie tat, und sie fand es wichtig.
    Wichtiger denn je!
    Von Jasmin Dreyers Verschwinden wusste die Presse noch nichts, dafür lag Mariensee zu weit draußen. Aber schon morgen würde sich das ändern. Sobald eine Hundertschaft anrückte und ein Waldstück auseinandernahm, ließ es sich nicht mehr geheim halten. Also plante Nele im Hinterkopf für den morgigen Nachmittag die erste Pressekonferenz ein. Leeres Geplänkel, denn genau genommen hatte sie nichts zu sagen, aber es konnte auch nicht schaden, die Presse vor ihren Karren zu spannen und landesweit Bilder von Jasmin Dreyer zu verbreiten. Leider trug Neles Bauchgefühl nur noch weiter zu ihrer Niedergeschlagenheit bei.
Wie ein glühender, behäbiger Lavastrom, schwer und zäh, breitete sich die Sorge in ihr aus, bereits nach der Leiche des hübschen Teenagers zu suchen, und so sehr sie auch hoffte, sich zu täuschen, sprachen die Erfahrungen der letzten Jahre eine allzu deutliche Sprache.
    An die Wand gelehnt wartete Nele mit geschlossenen Augen auf den Fahrstuhl. Jetzt, wo sie zur Ruhe kam, spürte sie deutlich die Erschöpfung Oberhand gewinnen. Der Beginn einer neuen Ermittlung war immer aufregend, gleichzeitig aber auch aufreibend. Zudem machten ihr die Verzweiflung und Angst der Angehörigen zu schaffen, die sie als leitende Kommissarin so lange abbekam, wie sie keine Leiche fanden.
    Trotz alledem freute sie sich auf Anou, die oben in der Wohnung auf sie wartete. Dass sie am Morgen einen Schlüssel mitgenommen hatte – war das der erste Schritt zu etwas Tiefem, Dauerhaftem? Nele war sich nicht sicher. Aber der Gedanke daran ließ ein Lächeln über ihr Gesicht huschen und machte es leichter, mit dem Frust fertigzuwerden. Es half natürlich immer, mit jemandem über die Gefühle und Ängste zu sprechen, die sie tief berührten, nur wartete sie normalerweise leider eine Ewigkeit, bevor sie sich jemandem so weit öffnete. So war sie eben einfach. Bei Anou aber, das fühlte Nele jetzt schon, würde sie nicht so lange brauchen.
    Der Fahrstuhl kam, sie stieg ein und fuhr hinauf. Als sie ihre Wohnungstür hinter sich schloss, stiegen ihr angenehme mediterrane Düfte in die Nase. Es roch nach nussigem Olivenöl, Basilikum und einer Spur Lavendel.
    »Anou?«
    Sie kam ihr aus der Küche entgegen. Barfuß, gekleidet in eine enge schwarze Sporthose und ein kurzes, ebenfalls
schwarzes Oberteil, das viel nackte Haut am Bauch sehen ließ. Kleidung, die man zum Aerobic oder Joggen tragen konnte. Sie sah darin sexy aus, athletisch, und das Schwarz harmonierte auf eine schwere, geheimnisvolle Art mit ihrem dunklen lockigen Haar und der zartbraunen Haut, die sie von ihrem französischen Vater hatte, dessen Vorfahren Senegalesen gewesen waren. Anou war eine exotische Schönheit, eine Frau, die im rauen Klima des Nordens unweigerlich auffiel. Neles Müdigkeit war wie weggeblasen.
    Sie umarmten sich. Anou küsste sie auf die Lippen. Kurz nur und flüchtig, aber warm und mit einem Geschmack, der die Sinne betörte.
    »Du siehst fertig aus«, sagte sie.
    Nele nickte. »War ein harter Tag. Sag mal, wonach duftet das hier? Und vor allem, wonach schmecken deine Lippen? Mir zieht sich schon der Magen zusammen, ich hab den ganzen Tag nichts Vernünftiges zu essen bekommen.«
    Anou lächelte. »Das habe ich mir gedacht und, obwohl es schon so spät ist, uns noch eine Kleinigkeit zu essen gemacht. Du hast zehn Minuten zum Duschen, dann darfst du dich verwöhnen lassen.«
    Mit diesen Worten strich Anou ihr die Haare aus der Stirn, kam ihr dabei ganz nahe, so dass sich ihre Brüste berührten, und hauchte ihr

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