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Tiefe

Tiefe

Titel: Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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damit ab, die Rinne zum Meer hin offen zu halten. Er dachte an Kristina Tacker und das Kind, das unterwegs war. Aber vor allem dachte er an die Frau, die er nach seinem Beschluß nie wiedersehen würde.
    Er blieb so lange auf der Bank sitzen, bis er zu frieren begann. Der Schlepper schob sich weiter dem Meer entgegen.
    Das Eis war schmutziggrau.
    Er vermaß den Abstand zum Heck des Schleppers. Als er sich in einer Entfernung von 100 Metern befand, stand er auf und ging in die Stadt zurück.
    Vor dem Kontor der Handelsbanken am Kungsträdgärden blieb er stehen. Es überraschte ihn, daß es ihm keinerlei Unruhe bereitete, von seinem Kapital zu zehren. Früher hatte er sich immer für sparsam gehalten, an der Grenze zum Geiz. Jetzt verspürte er plötzlich ein Bedürfnis, aus dem vollen zu schöpfen.
    Er betrat die Bank. Bankier Häkansson, der sich um seine Geschäfte kümmerte, war gerade beschäftigt. Er wurde von einem Assistenten empfangen und um etwas Geduld gebeten.
    Er betrachtete die Menschen, die sich in der Bankhalle bewegten. Es war, als befänden sie sich in einer großen Tiefe, von wo kein Laut zur Oberfläche drang.
    Er hielt für zwanzig Sekunden die Luft an und ließ sich zum Boden der Bankhalle sinken.
    Ich spiele, dachte er. Ich spiele mit der Tiefe anderer Menschen.
    Bankier Häkansson hatte einen unsteten Blick und feuchte Hände. Lars Tobiasson-Svartman folgte ihm die Treppe hinauf in ein Zimmer, dessen Tür lautlos hinter ihnen zuglitt. »Der Krieg ist natürlich beunruhigend«, sagte Bankier Häkansson. »Aber die Börse hat bisher mit Wohlwollen auf den Kanonendonner reagiert. Nichts scheint so inspirierend für Konjunkturerwartungen zu sein wie ein Kriegsausbruch. Das Risiko besteht jedoch darin, daß der Markt launisch sein und mit heftigen Bewegungen reagieren kann, sowohl aufwärts wie abwärts. In der heutigen Lage sind Ihre Wertpapiere jedoch stabil.«
    »Ich muß einen Teil dieser Wertpapiere in Bargeld umwandeln.«
    »An wieviel haben Sie gedacht, Kapitän Svartman?«
    Auch hier habe ich keinen Doppelnamen, dachte er. Für die Bank bin ich ganz einfach Lars Svartman, ohne den Schutz, den der Nachname meiner Mutter für mich bedeutet.
    Gereizt sagte er: »Ich möchte darauf hinweisen, daß mein Nachname Tobiasson-Svartman lautet. Es ist etliche Jahre her, seit ich meinen Namen geändert habe.«
    Bankier Häkansson sah ihn fragend an. Dann fing er an, in seinen Papieren zu blättern. »Ich bedaure, daß die Bank und ich Ihre Namensänderung übersehen haben. Ich werde mich sofort darum kümmern.«
    »Bargeld«, sagte Lars Tobiasson-Svartman, »zehntausend Kronen.«
    Wieder war Bankier Häkansson überrascht. »Das ist eine große Summe. Es bedeutet, daß ein Teil der Wertpapiere veräußert werden muß.«
    »Das ist mir klar.«
    Bankier Häkansson überlegte. »In diesem Fall schlage ich vor, daß wir Waldaktien verkaufen. Wann müssen Sie die Summe zur Verfügung haben?«
    »In einer Woche.«
    »In welcher Aufteilung?«
    »Hunderter, Fünfziger, Zehner und Fünfkronenscheine. Gleichmäßig verteilt.«
    Lars Tobiasson-Svartman verließ die Bank. Es ist, wie wenn man sich einen Rausch antrinkt, dachte er. Wenn man sich dazu entschließt, verschwenderisch mit dem Geld umzugehen. Nicht wie mein Vater zu sein, sich nicht ständig mit diesem verdammten Sparen zu befassen.
    Er ging zum Kungsträdgärden und betrachtete die Schlittschuhläufer. Ein älterer Mann in Lumpen trat auf ihn zu und bettelte. Er wies den Mann brüsk ab. Dann tat es ihm leid, und er ging ihm nach.
    Der Mann reagierte, als würde er überfallen.
    Lars Tobiasson-Svartman gab ihm eine Krone und erwartete keinen Dank.
    An diesem Abend sprachen sie über den bevorstehenden Auftrag.
    Die Stille stieg und sank im Zimmer. Mit dem Feuerhaken schloß er die Messingluken des Kachelofens. Im Zimmer wurde es dunkler.
    »Ich habe immer Angst, wenn du verreist«, sagte sie.
    Eine Reise birgt immer eine Gefahr, dachte er. Besonders diesmal, wo die Reise nicht einmal existiert.
    »Deine Angst ist unbegründet«, antwortete er. »Vielleicht, wenn wir in den Krieg hineingezogen würden. Aber das sind wir nicht.«
    »Die Minen, all diese schrecklichen Sprengungen, Schiffe, die innerhalb von wenigen Sekunden untergehen.«
    »Ich werde weit vom Krieg entfernt sein. Bei meiner Arbeit geht es darum, daß so wenig Schiffe wie möglich von der Katastrophe betroffen werden.«
    »Welche Tür?«
    »Die unsichtbare Tür zwischen dem, was einige

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